Donovans Gehirn
bis zum Morgen.
Ich stand auf. Auf dem Fußboden lag ein Zettel, den ich in der Nacht geschrieben hatte: ›Anton Sternli, Pasadena, Byronstraße 120‹ war deutlich in Donovans Handschrift darauf zu lesen.
Und hinter den Namen hatte ich ›Fünfhundert Dollar‹ geschrieben, und danach die Zahl: 142 235.
Ich kleidete mich an und ging fort, um den Mann zu finden.
Er wohnte nicht Byronstraße 120, sondern Byronstraße 210. Daraus ging hervor, daß Donovans Gedächtnis nicht unfehlbar ist. Er kann Schnitzer machen wie ein gewöhnlicher Mensch.
Als ich klingelte, öffnete ein junges Mädchen von vierzehn Jahren die Tür. Ich fragte nach Herrn Sternli, und sie führte mich in eine kleine Bibliothek, in der ein alter Mann, gebeugt und weißhaarig, allein saß. Er war fast blind, seine Augen konnten mich nicht in ihr Blickfeld bekommen, aber er trug keine Brille. Er sah ungefähr nach der Richtung, aus der meine Stimme kam, und tastete sich am Schreibtisch entlang, als er mir entgegenging.
»Ich bin Dr. Cory«, sagte ich. »W. H. Donovan schickt mich.« Meine Worte hatten eine sonderbare Wirkung. Er hielt inne. Seine blicklosen Augen schweiften nervös umher.
»Herr Donovan ist tot«, sagte er unsicher.
»Natürlich«, erwiderte ich. »Er starb in meinem Hause in Washington Junction.«
Sternli bat mich, Platz zu nehmen, und tastete sich zum Schreibtisch zurück. »Was kann ich für Sie tun, Herr Doktor?« fragte er.
»Donovan bat mich, die Verbindung mit Ihnen aufzunehmen. Er wünschte, daß ich Ihnen fünfhundert Dollar bringen sollte.«
Ich zog das Geld aus der Tasche und legte es auf den Tisch, doch Sternli war zu kurzsichtig, um meine Bewegung zu sehen. Er sah mich betroffen an, als habe er nicht recht verstanden, und wiederholte dann: »Fünfhundert Dollar.«
Ich stand auf und legte das Geld vor ihn hin. Er beugte sich darüber, um es anzusehen. Plötzlich lächelte er und sagte in scherzhaftem Ton: »Es kommt gerade zur rechten Zeit. Normalerweise kommt Geld immer zur rechten Zeit oder zu spät – aber niemals zu früh. Ich habe meine Brille zerbrochen und könnte mir kaum eine neue leisten. Die Gläser sind schrecklich teuer – ich bin nämlich fast blind.«
Er nahm eine zerbrochene Linse vom Tisch und sah mich durch das Glas an. »Sie verübeln es mir hoffentlich nicht, daß ich Sie so anstarre? Das ist der Rest meiner Brille – ich hatte mich daraufgesetzt!« Reuevoll kicherte er.
Dann saßen wir schweigend, bis er mit freundlicher Stimme fragte: »W. H. dachte an mich, ehe er starb? Dann muß ich ihn mein Leben lang falsch beurteilt haben!«
Er schüttelte den Kopf und legte behutsam das Stück Brillenglas nieder. »Was hat er Ihnen sonst gesagt?«
»Nichts. Er war nicht in der Verfassung zu sprechen.«
»Sagte er Ihnen nicht, wer ich bin?« fragte er. Sofort fügte er hinzu, um mich nicht in Verlegenheit zu bringen: »Ich war Herrn Donovans Sekretär – viele Jahre lang. Um genau zu sein – all die Jahre lang, in denen ein Mann arbeiten kann, um sich ein sorgenfreies Alter zu schaffen.«
Der Raum war ärmlich eingerichtet, außer den Reihen kostbarer Bücher, die sorgsam auf soliden Regalen geordnet waren. Die Wände waren schmutzigbraun vor Alter.
»Hat er Ihnen keine Vergütung gegeben?« fragte ich höflich.
Sternli nickte und lächelte. »Die Erinnerung an interessante Zeiten – jawohl. Aber Geld? Nein! Das hätte er nie getan. Und deshalb bin ich so überrascht, daß er in einem Augenblick an mich dachte, in dem jeder Mensch an sich selbst denken sollte. Tod war ein Wort, das in Herrn Donovans Gegenwart nicht ausgesprochen werden durfte. Wir sprachen nur einmal davon, und da sagte er: ›Ein Testament machen heißt sein Leben aufgeben. Am besten läßt man den Gedanken gar nicht in den Kopf hinein, sonst bohrt er im Bewußtsein wie die Termiten in einem Haus. Sie fressen alles heimlich weg – und eines Tages, wenn man es am wenigsten erwartet, kracht einem das Dach auf den Kopf. Zu mir soll keiner vom Tod sprechen!‹«
Sternli wandte mir sein Gesicht zu, und ich sah, er war nicht so alt, wie ich gedacht hatte. Er konnte nicht mehr als Fünfzig sein, aber seine Akademiker-Erscheinung, seine liebenswürdigen Manieren, vor allem sein weißes Haar machten ihn zwanzig Jahre älter.
»Womit kann ich Ihnen dienen, Herr Doktor Cory?« fragte er.
Ich zögerte – doch meine Neugier gewann die Oberhand.
»Nun ja ... können Sie mir etwas über Roger Hinds erzählen?«
Er blickte
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