Donovans Gehirn
scharf auf – ein seltsamer Blick in diesen kurzsichtigen Augen, die keinen Mittelpunkt erfaßten. Dann lächelte er.
»Roger Hinds ist der Name, den W. H. für ein Bankkonto benutzte«, sagte er. »Ich habe selbst Geld darauf deponiert. Ich entsinne mich sogar noch der Summe der ersten Einzahlung. Achtzehnhundertdreiunddreißig Dollar und achtzehn Cent. W. H. schätzte mein Gedächtnis für Dinge, die an sich unwichtig sind.«
»Sie meinen, Roger Hinds existierte niemals?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht doch, aber ich sah ihn nie. W. H. korrespondierte auch nicht mit ihm. Immerhin ... er interessierte sich sehr für alle Leute, die Hinds heißen, und sammelte Informationen über sie. Ich weiß nicht warum. Einer aus dieser Familie ist seit kurzem ziemlich berüchtigt. Sie können den Namen in den Zeitungsschlagzeilen finden – er ist des Mordes angeklagt. Ein sehr grausamer Mord. Er geschah am ersten August dieses Jahres, um neun Uhr dreißig nachts.«
Er berührte mit seiner mageren Hand die Stirn.
»Ich kann einfach nichts vergessen, was ich einmal gehört oder gelesen habe«, sagte er entschuldigend. »Cyril Hinds! Er ist im Kreisgefängnis, falls Sie das interessiert.«
In dieser seltsamen Vermengung der Wirklichkeit und des fast Übernatürlichen wußte ich nicht, wo mein eigenes Denken begann und wo Donovans Befehle endeten. »Er erwähnte den Namen Hinds nicht«, sagte ich wahrheitsgemäß.
Sternli sah mich an und hob langsam das zerbrochene Stück Glas zum Auge. Mir wurde klar, daß ich in einen Widerspruch geraten war. Donovan mußte zu mir über Hinds gesprochen haben, sonst konnte Sternli es nicht verstehen, schließlich hatte ich den Namen zuerst erwähnt.
Ich stand auf.
Sternli hielt mir ziemlich schüchtern die Hand hin.
»Ich danke Ihnen, Dr. Cory. Es war freundlich von Ihnen, mir das Geld zu bringen. Aber sollten wir nicht Howard Donovan von diesem Geschenk unterrichten? Er ist der Erbe – er könnte etwas dagegen haben, daß ich es bekomme.«
Das war natürlich das letzte, was ich wünschen konnte – Howard Donovan und seinen Anwälten einen Wink geben, woher das Geld kam! Ich log also: »Es gehört ihm nicht. Es war in einem Briefumschlag mit Ihrem Namen. Donovan gab es mir, ehe er starb.«
Das klang nicht sehr glaubhaft, aber man konnte mir auch nicht beweisen, daß es eine Lüge war.
»Ich danke Ihnen sehr herzlich«, sagte Sternli. »Wenn ich Ihnen mit irgend etwas dienen kann, so lassen Sie es mich bitte wissen! Ich habe viel freie Zeit übrig – leider Gottes!«
Er nahm meinen Arm, um mit mir zur Tür zu gehen. Plötzlich fühlte ich, daß Donovan noch etwas durch mich zu sagen wünschte.
»Ich wollte noch um den Schlüssel bitten«, sagte ich in der Tür.
Sternli blickte mich an, erstaunt darüber, daß ich eine so wichtige Sache beim Hinausgehen zur Sprache brachte.
»Den Schlüssel ... welchen Schlüssel?« fragte er unsicher.
Ich nahm den Zettel mit seinem Namen und der Zahl aus meiner Tasche und zeigte ihn Sternli. Er hielt ihn so dicht an die Augen, daß er sie fast damit berührte. Als er ihn sinken ließ, war sein Gesicht vor Staunen gerötet.
»W. H.'s Schrift!« murmelte er. Er tastete sich in das Zimmer zurück und kam mit einem Schlüssel wieder. Er war klein und flach, der Schlüssel für einen Safe.
Beunruhigt durch die ziellosen Anweisungen, die mir das Hirn gegeben hatte, ging ich zur Stadt zurück. Donovan machte Fehler; sein Gedächtnis war nicht präzis. Die Nummer des Safes hatte er aufgeschrieben, er hatte aber vergessen, in seiner Botschaft den Schlüssel zu erwähnen. Sicherlich hatte er beabsichtigt, mich davon in Kenntnis zu setzen, denn die Nummer gehörte zu dem Schlüssel. Doch seit kurzem war etwas nicht in Ordnung mit seinem Denkprozeß. Früher war er ganz präzis gewesen.
Ich notierte mir Stunde und Datum, wann ich in der Nacht vor dem 23. November die Instruktionen erhalten hatte. Ich mußte Schratt fragen, ob in den Reaktionen des Hirns Unregelmäßigkeiten um diese Zeit festzustellen waren. Ist das Organ krank? Beginnt die geistige Zersetzung?
Es ärgerte mich, daß sich das Hirn erst erinnerte, seine Botschaft zu vervollständigen, als ich aus Sternlis Wohnung wegging.
Beim Weitergehen kreuzte ich eine Straße, in der Arbeiter Gräben zogen. Die Maschinen machten einen betäubenden Lärm, sie hoben die Erde aus und warfen sie auf ein bewegliches Band, das sie zu den Lastwagen hinüberschaffte.
Ich paßte nicht auf, wohin ich
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