Donovans Gehirn
114474 gestellt hatte, ließ sich das Fach mit dem Schlüssel öffnen. Es war leer bis auf einen kleinen Briefumschlag, den ich in meine Tasche steckte.
Auf der Straße öffnete ich ihn.
Es war eine Quittung über achtzehnhundertunddreiunddreißig Dollar und achtzehn Cent, in Donovans Handschrift ausgestellt und von Roger Hinds unterschrieben. Das Datum war der 7. Februar 1901, der Ort San Juan, Kalifornien.
Ich drehte den Bogen um und um, aber ich fand keinen Hinweis darauf, warum Donovan ihn so sorgfältig aufbewahrt hatte.
San Juan, eine kleine Stadt von fünftausend Einwohnern, ist der Ort, wo Donovan sein Versandgeschäft eröffnet hat.
Ich steckte das Papier in meine Brieftasche. Sternli konnte mir mehr sagen, wenn er zurückkam. Ich hatte heute früh ein Telegramm von ihm bekommen, daß er sich mit Geraldine Hinds in Verbindung gesetzt hatte.
Donovans Chauffeur wartete in der Hotelhalle auf mich. Einer Eingebung gehorchend – oder einem telepathischen Kontakt – begrüßte ich ihn bei seinem Vornamen: »Hallo, Lonza!«
Er sah mich höchst betroffen an, denn er hatte mich nie gesehen. Dann grinste er über das ganze Gesicht, als habe ich einen Witz gemacht. Wir fuhren nach Norden auf dem Ventura Boulevard nach Encino. Ich lehnte mich behaglich zurück und rauchte eine Zigarre, die mir keinen Genuß bereitete.
Die Grenzlinie zwischen meinem und Donovans Bewußtsein verschwamm. Ich redete – aber es war Donovan, der mich dazu veranlaßte. Wenn ich ging, geschah das noch auf meinen eigenen Impuls. Oder bildete ich mir das nur ein? Ich mußte mich sehr konzentrieren, um zu wissen, ob Donovan meine Hände bewegte oder ob ich es tat. Doch meine Gedanken waren immer klar.
In Encino fuhren wir durch ein schmiedeeisernes Tor, das mir bekannt vorkam. Wir durchquerten einen großen Park mit trockenen künstlichen Seen und leeren Vogelhäusern. Der Garten sah verlassen aus, als hätten die Blumen beim Tod des Besitzers aufgehört zu blühen.
Der Wagen fuhr zu einem ausgedehnten spanischen Gebäude hinauf, das weite Patios und schattige Loggien hatte. Die meisten Fenster waren mit Läden geschlossen oder ihre Vorhänge zugezogen.
In der großen Halle waren die Möbel unter Staubhüllen verborgen. In einer Nische brannte eine einsame Lampe. Das Haus sah ebenso verlassen aus wie der Garten.
Der Chauffeur führte mich in die Bibliothek, wo ein großes Kaminfeuer brannte und flackernde Schatten über die getäfelten Wände warf. Howard Donovan und seine Schwester warteten auf mich, doch zu meiner Überraschung war auch Fuller, mein Rechtsanwalt, bei ihnen.
»Hallo, Cory!« Howard kam rasch auf mich zu, mit ausgestreckter Hand, blieb aber plötzlich mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht stehen. Er starrte auf meine Hand.
»Entschuldigen Sie«, sagte ich und warf die Zigarre ins Feuer. »Ich vergaß es – ich hätte sie draußen lassen müssen!«
»Das ist doch eine Upman, nicht wahr?« sagte Howard. »Mein Vater rauchte diese Marke. Komisch, wie einem so ein Geruch in der Nase hängen bleibt!«
Er nahm liebenswürdig meinen Arm.
Fuller nickte nur, als ich ihn begrüßte, zog sich in die entfernteste Ecke des Zimmers zurück und beschäftigte sich damit, Bücher anzusehen. Frau Chloe Barton murmelte meinen Namen, machte aber keine Miene, mir die Hand zu geben.
Howard ging hinüber zur Bar. »Etwas zu trinken, Doktor?«
»Danke, nein«, sagte ich.
»Nur wenn es keiner sieht!« lachte er trocken, sichtlich an seinen Vater denkend. Er sprach wie ein Staatsanwalt, der seine Zeugen für das Verhör in gute Laune versetzen will.
Chloe saß in der Ecke und beobachtete mich. Sie schien amüsiert, doch irgendwie krampfhaft, neurotisch amüsiert. Sie war auffallend still, und der Ausdruck ihrer dunklen Augen machte mich fast verlegen. Sie beobachtete mich mit intensivem Interesse und trank förmlich meine Worte. Diese Intensität irritierte mich. Sie kam mir vor wie eine Frau, die jeden Augenblick ihren hysterischen Anfall bekommen konnte.
Ich war überrascht, wie sich ihr Gesicht verändert hatte. Das Fleisch schien weggefallen, die Haut spannte sich über die Knochen. Sie hörte nicht auf, mir zuzulächeln, aber das Lächeln sah eher wie eine Grimasse aus.
Wir tauschten ein paar oberflächliche Bemerkungen, welche die merkwürdige Stimmung zwischen uns nicht verbesserten.
»Fuller! Einen Whisky?« rief Howard durch den Raum, und seine Frage schien bestimmt, seine Gedanken zu verbergen.
»Danke, ich bin noch
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