Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Donovans Gehirn

Donovans Gehirn

Titel: Donovans Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curd Siodmak
Vom Netzwerk:
geht es ausgezeichnet, sagte er. Größe und elektrische Energie nehmen ständig zu.
    Während Schratt am Telefon auf Instruktionen wartete, fand meine unterbewußte Angst plötzlich einen Ausdruck. Ich befahl ihm, das Hirn bei seinem jetzigen Gewicht und seiner jetzigen Leistung zu halten, es nicht zu stark zu füttern. Mein Mund war auf einmal so trocken, daß meine Stimme ganz rauh klang.
    »Ich verstehe«, erwiderte Schratt ausweichend.
    Rasch hängte ich ab, ich war ärgerlich über mich selbst. Hatte ich zugegeben, daß ich anfing, mich zu fürchten? Anders konnte er sich meine Anweisung nicht erklären, und Schratt würde sie schon richtig auslegen ...
    Furcht ist eine natürliche Reaktion aller Organismen, die Waffen zur Selbstverteidigung haben. Ich gehöre zu dieser Gattung und habe keinen Grund, mich zu tadeln. Furcht ist angeboren.
    Ich war plötzlich müde. Statt Fuller anzurufen und ihm von meinem Besuch im Gefängnis zu berichten, legte ich mich zur Ruhe.
    Ich nahm ein Schlafmittel. Ich will keine Botschaften von Donovan entgegennehmen.
     

Zwölfter Dezember
     
    Heute früh um zehn Uhr klingelte das Telefon. Ich beantwortete es noch unter dem Einfluß des Schlafmittels. Ich hatte eine gutdurchschlafene Nacht hinter mir. Sogar die sonderbare Zeile: »Auf zwei sich spreizenden Zweigen ...«, die nächtelang meinen Schlaf begleitete, hatte mich nicht gestört.
    Aus der Hotelhalle rief ein Herr Pulse an. Fuller hatte ihn zu mir geschickt. Er meinte, es wäre angenehmer, in meinem Zimmer zu sprechen – dürfte er heraufkommen?
    Ich bat ihn zu warten, ließ mir den Friseur schicken und genoß den Luxus, gut rasiert zu sein. Dann kleidete ich mich an und betrachtete mich im Spiegel – zum erstenmal seit Monaten entspannt.
    Plötzlich wurde mein Spiegelbild ein durchsichtiger Schemen. Das Empfinden dauerte nur einen Augenblick, dann aber ergriff Donovans Hirn stärker denn je von mir Besitz.
    Ich starrte in den Spiegel und sah mich durchdringend, von Kopf bis Fuß, an, als hätte ich noch nie mein Spiegelbild gesehen. Ich atmete tief, bewegte die Schultern, ohne tatsächlich meines Körpers gewahr zu sein. Dann kniff ich mich ins Handgelenk, und die Haut rötete sich, ohne daß ich einen Schmerz fühlte.
    Ich ging durch das Zimmer, aber nicht mit meinem eigenen Gang, sondern mein rechtes Bein leicht nachziehend, holte mir eine der Upman-Zigarren und fing an, sie zu rauchen.
    Wie immer wußte ich, was ich tat, aber zum erstenmal war ich ein Gefangener in meinem eigenen Körper, ohne die Möglichkeit, etwas anderes zu tun als das, was mir befohlen wurde.
    Ich rief mir alle Stadien wieder vor Augen, die ich während des Experimentes mit Donovans Hirn durchgemacht hatte. Zuerst hatte ich mich auf Donovans Befehle konzentriert, mich selbst gezwungen, ihn zu verstehen. Während der zweiten Phase konnte ich die Befehle leicht deuten, ich handelte ihnen entsprechend. Schließlich hatte ich dem Hirn erlaubt, meinen Körper zu beherrschen.
    Und jetzt war ich nicht mehr imstande, Widerstand zu leisten. Ich hatte völlig die Oberhand verloren.
    Das Hirn konnte meinen Körper vor einem Wagen laufen und ihn aus dem Fenster springen lassen, konnte ihm mit meinen eigenen Händen eine Kugel durch die Schläfe schießen. Ich konnte in der Hoffnungslosigkeit meines Kerkers nur noch aufschreien, aber selbst die Worte, die mein Mund formte, waren diejenigen, die das Hirn zu hören wünschte.
    Eine Welle des Entsetzens verschlang mich fast, als mir klar wurde, daß ich wie ein Mann war, der an eine Maschine gebunden ist, die seine Hände und Füße gegen seinen Willen bewegt.
    Das Gefühl der Angst verging. Ich war wieder frei. Ich fühlte den Rauch der Zigarre in meinem Mund, obwohl ich ihn nicht schmeckte. Ich hinkte nicht mehr. Der dumpfe Druck in der Nierengegend hörte auf – als erholte ich mich gerade von einem Anfall von Nephritis und Anurie.
    Wenn Donovans Hirn von meinem Nervensystem Besitz ergreift, stellt es die Bedingungen seines Körpers wieder her – die Schmerzen in den Nieren, das Hinken, die gleichen Neigungen und Abneigungen beim Essen und beim Tabak. Vielleicht verfällt es bald wieder dem Trunk!
    Plötzlich erinnerte ich mich, daß ein gewisser Herr Pulse auf mich wartete, und telefonierte hinunter zum Empfangsbüro, er möge heraufkommen.
    Ein paar Minuten später trat ein riesiger Mann ein, der den Türrahmen ausfüllte mit seiner mächtigen Gestalt. Er war fast zwei Meter groß, trug das Haar wie ein

Weitere Kostenlose Bücher