Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch
Clintons Affäre nicht einverstanden waren, hatte ich das Gefühl, dass sich mehr Mitbürger darüber empörten,
wie
Clinton in den Medien und überall in Amerika behandelt wurde. Er hatte Sex. Er wurde erwischt. Er wurde an den Pranger gestellt. Und monatelang — und nicht nur in Amerika, sondern auch weltweit — gab es in allen Medien nur ein Thema: Bill und Monica. Und je länger dieser Skandal andauerte und alle anderen Nachrichten, die es auf der Welt gab, verdrängte, desto sympathischer wurde meiner Ansicht nach mein Präsident in den Augen vieler Deutscher. Und von dieser Sympathie habe ich auch profitiert, denn ich kann mich daran erinnern, dass Leute mir damals sagten:
»Bill Clinton für Deutschland!«
»Das ganze Tamtam wegen Sex ist völlig übertrieben!«
»Man soll den Präsidenten in Ruhe lassen, damit er endlich seinen Job machen kann!«
»Mensch, der arme Bill. Wie der behandelt wird, das ist schrecklich. Komm, ich lade dich auf ein Bier ein.«
Und dann kamen die Bush-Jahre, und dann wurde ich nie wieder auf ein Bier eingeladen. Diese schlechte Stimmung bekam ich auch bei allen Taxifahrern Deutschlands zu spüren - ganze acht Jahre lang. Man muss sich das mal vorstellen: Acht Jahre lang fuhr ich mindestens ein oder zwei Mal im Monat mit dem Taxi, und nicht ein Mal führte ich ein Gespräch über ehrgeizige Praktikantinnen. Es war eine traurige Zeit. Anders kann ich es nicht beschreiben. Einfach nur traurig.
Und dann kam Barack Obama. Und wie bei Bill Clinton waren die schlechten Zeiten im Nu wie weggeblasen. Das war unheimlich. Ich hatte das Gefühl, dass wir Amerikaner über Nacht wieder
in
waren. Und das machte sich auch bei den Taxifahrern bemerkbar.
Ein Taxifahrer begrüßte mich zum Beispiel mit den Worten: »Yes, we can! Yes, we can!« Ein anderer meinte: »Wir brauchen auch einen Obama für Deutschland. Einer, der auch ein so leidenschaftlicher und guter Redner ist.« Worauf ich antwortete: »Wie der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer, denn der war ebenfalls leidenschaftlich und ein sehr guter Redner.« Der Taxifahrer schaute mich komisch an und fragte: »So gut wie Obama?« Ich bejahte, aber ich spürte, dass er mir irgendwie nicht glaubte, und deswegen ergänzte ich: »Ich habe Joschka Fischer einmal im Fernsehen gesehen, als er über das Thema Mülltrennung redete. Nein, er hat nicht nur einfach über das Thema Mülltrennung geredet, er hat
leidenschaftlich
über
das Thema Mülltrennung geredet. Du konntest die Leidenschaft in seinen Augen sehen und in seiner Stimme hören. Er war so leidenschaftlich, dass auch ich sofort Bock bekam, meinen eigenen Müll zu trennen. Kurz danach hatte ich nur einen Gedanken im Kopf: John, trenne deinen Müll. Trenne endlich deinen verdammten Müll! Und das habe ich dann auch getan. Okay, erst zwei Wochen später, aber immerhin hab ich es getan.« Und dann sagte der Taxifahrer: »Ja, das stimmt, was Sie sagen, junger Mann. Der Fischer war gar nicht so übel.«
An ein ganz bestimmtes Barack-Obama-John-Doyle-Taxigespräch erinnere ich mich gerne. Es fand kurz nach Obamas Wahl zum Präsidenten statt.
»Zum Flughafen Köln-Bonn, bitte«, sagte ich, während ich vorne beim Taxifahrer einstieg. Ich musste mal wieder für ein paar Tage geschäftlich verreisen.
»Sie kommen nicht aus Deutschland, oder?«, fragte mich dieser sofort - wir hatten noch nicht einmal die erste Ampel erreicht. Wie gesagt: Sobald ich meinen Mund aufmache, werde ich als Ausländer identifiziert.
»Ist das schlimm?«, fragte ich ihn vorsichtig zurück.
»Nein, überhaupt nicht.« Der Mann lachte laut auf und sah mich mit seinen dunklen Augen freundlich an. Daraufhin wollte ich ihm gerne sagen, wo ich herkomme, und auch ein bisschen davon erzählen, dass ich, obwohl ich Amerikaner bin, mich manchmal nicht wie einer fühle, denn er schien offen zu sein, und ich war auf der Suche nach Antworten. Doch als ich seinen Vornamen auf dem Taxi-Ausweis am Armaturenbrett las, erschrak ich und dachte:
John, halt besser den Mund und schau geradeaus.
Ich weiß, das klingt nicht gerade nett, denn er hatte ja
nichts Negatives gesagt, geschweige denn getan, aber wenn ich einen Namen wie »Hassan« höre oder lese, denke ich nicht gerade an Menschen, die aus Ländern kommen, die Amerikanern unbedingt wohlgesinnt sind.
Ich dachte weiter angestrengt nach:
Soll ich ihm vielleicht sagen, dass ich Kanadier bin, denn die mögen alle? — Aber nein, waren die Kanadier nicht mit in
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