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Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch

Titel: Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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und deutlich zur Kultur hier in Deutschland bekennen. Als die deutsche Schauspielerin Katja Riemann während einer Talkshow im deutschen Fernsehen einmal gefragt wurde, wie sie sich beschreiben würde, schaute sie den Moderator ernsthaft an und sagte ohne zu zögern: »Ich bin ein kulturschaffender Mensch.«
    Ich fragte mich nur:
Was? Sie ist was?
    Tatsächlich fand ich diese Antwort interessant, denn keine amerikanische Schauspielerin hätte diese Frage so beantwortet - egal, ob es sich dabei um Scarlett Johansson oder Julia Roberts oder Jodie Foster gehandelt hätte. Keine von ihnen würde in 1000 Jahren auf die Idee kommen, in einem Interview zu antworten: »I make culture. I'm a person who makes culture.« Viel eher würden sie sagen: »I make movies.« Oder: »I make films.« Oder: »I make love to George Clooney when he is in my movie. As often as possible.« Aber nie: »I make culture.«
    Denn ansonsten müssten sie befürchten, dass die Öffentlichkeit
sie für arrogant und eingebildet halten würde. Und amerikanische Kinogänger wollen keine Stars, die so wirken. Aufgespritzte Lippen und ein bisschen Silikon hier und da sind kein Problem. Arrogantes Verhalten schon.
    Aber das soll nicht heißen, dass Kultur in der amerikanischen Filmindustrie keine Rolle spielt. Wenn es um die Academy Awards geht, haben nur richtig anspruchsvolle Filme wie »American Beauty«, »Million Dollar Baby« und »A Beautiful Mind«, eine Chance, einen Oscar zu bekommen. Die anderen Filme, die zwar richtig viel Geld einspielen, wie »Mission Impossible« 1, 2 und 3, und die ganzen Bruce-Willis-Filme, in denen er ständig die Welt rettet, haben trotzdem keine Chance, diese begehrte Trophäe zu gewinnen. Und genau so ist es auch bei Arnold Schwarzenegger, denn er kann so viele »Terminator«-Filme machen wie er will und so viel Geld einspielen wie er will und so oft »I'll be back« sagen, wie er will. But he won't be back to get an Oscar.

Genauigkeit/Exactness
    Ich merke, dass meine Deutschwerdung immer noch nicht abgeschlossen ist. Ich stelle fest, dass ich eigentlich noch einen ziemlich
     langen Weg vor mir habe, wenn ich realisiere, wie
ungenau
ich immer noch im Vergleich zu vielen Deutschen bin.
    Zum Beispiel wenn ich mich mit meinen deutschen Freunden verabrede und frage: »Wo sollen wir uns treffen?«, dann sagen sie nicht: »Wir treffen uns am Rudolfplatz oder am Chlodwigplatz«, sondern »am Rudolfplatz Nordwestecke oder am Chlodwigplatz Südwestecke«. Und jedes Mal, wenn ich so etwas höre, denke ich:
John, bevor du gehst, stecke dir den Kompass ein!
    Wenn man einen Amerikaner in New York City fragen würde: »How long does it take to walk to Times Square?«, würde er nur antworten: »It's not so far. Just keep walking straight ahead.« Ein Deutscher wäre da viel präziser: »7 Minuten. Gehen Sie immer geradeaus auf der 7th Avenue bis zur Kreuzung Broadway.«
    Diese Genauigkeit erfährt man auch, wenn man einen Deutschen nach der Uhrzeit fragt. Ich stand einmal an der Bushaltestelle, fragte nach der Uhrzeit und bekam als Antwort den locker-flockigen Satz: »Es ist genau drei Minuten nach halb sieben« zur Antwort. Ich denke: Würde man in den USA zu jemandem sagen »It's exactly three minutes past half seven«, würde der andere denken, man macht Witze. Antworten würde man wohl viel eher: »It's just past 6:30«, was in Amerika völlig ausreicht.
    Aber verstehen Sie mich nicht falsch, lieber Leser. Ich will mich über Ihre Art der Genauigkeit nicht lustig machen oder behaupten, Sie seien ein bisschen zu genau. Ich will nur sagen, dass ich dieser Art von Genauigkeit fast jeden Tag begegne, und mir dann jedes Mal wieder bewusst wird, dass ich immer noch Amerikaner bin. Zum Beispiel wenn im Fernsehen eingeblendet wird, dass der Spielfilm nicht um 20:15 Uhr startet, sondern wegen irgendwelcher aktuellen Ereignisse in Bayern oder Bochum oder sonstwo erst um 20:19 Uhr, dann fragt sofort der Amerikaner in mir:
Muss man so was überhaupt wissen? Muss man wissen, dass der Spielfilm vier Minuten später als geplant anfängt?
Dagegen sagt der Deutsche in mir:
Ja, eigentlich schon.
Und diese deutsche Genauigkeit erlebt man überall: Sogar am Bahnhof.
    Wegen meines Jobs fahre ich ziemlich oft mit der Bahn, und während ich auf meinen Zug warte, stehe ich oft vor riesengroßen Ritter-Sport-Plakaten, auf denen immer zu lesen ist: »Ritter Sport: Quadratisch! Praktisch! Gut!« Und jedes Mal wenn ich das lese, frage ich mich:
Muss man

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