Doppelbelichtung
sich ihnen näherten. »Da kommt das Ehepaar Reichardt mit Joy. In zwei Stunden gibt es Abendessen, und ich schlage vor, daß du sie kurz begrüßt und dich dann damit entschuldigst, daß du auspacken mußt. Vermutlich werden die nächsten beiden Stunden die einzige Ruhepause sein, die dir in diesem Narrenhaus bleiben, bevor du es in drei Tagen wieder verläßt.«
>>Hört sich gut an. Ich muß vor dem Essen ohnehin noch dringend telefonieren.«
»Übrigens«, fügte Coreys Mutter hinzu, »Grandma und ich essen in dem kleinen Raum neben der Küche, nicht zusammen mit der Familie.«
»Soll das etwa heißen, daß Spencer uns wie Dienstboten behandelt?« fragte Corey leicht gereizt.
»Nein, nein«, lachte Mrs. Foster. »Glaub mir, dort ist es sehr viel angenehmer, als dem Ehepaar Reichardt und ihren Freunden zuhören zu müssen. Für gewöhnlich ißt auch Joy mit uns neben der Küche. Auch ihr gefällt es dort besser.« Mrs. Foster hatte Angela mit einem Terrier verglichen, aber dem konnte Corey nicht zustimmen, nachdem sie das Trio kennengelernt hatte. Mit ihren kurzgeschnittenen weißblonden Haaren und braunen Augen wirkte Angela so exotisch elegant - und so nervös - wie ein Barsoi. Ihr Mann Peter dagegen war ein Dobermann: gepflegt, aristokratisch zurückhaltend und doch lebhaft. Und Joy? Joy war ein liebenswürdiger Cockerspaniel mit welligen hellbraunen Haaren und sanften, wißbegierigen braunen Augen. Sobald die Begrüßungsfloskeln hinter ihnen lagen, stürzten sich der Barsoi und der Dobermann auf Coreys arme Mutter und schleppten sie davon, um ihr etwas zu zeigen, was ihnen an der Dekoration des Wohnraumes nicht behagte.
»Ich kann Ihnen gern Ihr Zimmer zeigen«, bot sich die Achtzehnjährige an, als Corey auf das Haus zuging.
»Aber ich kann auch gern den Butler darum bitten, wenn Sie etwas anderes zu tun haben.« »Oh, ich mache es gern«, erwiderte Joy und fiel schnell in Coreys Schritt. »Ich war schon ganz gespannt, Sie kennenzulernen. Sie haben eine so nette Familie.«
»Oh, vielen Dank«, entgegnete Corey ein wenig überrascht über die Offenheit des Mädchens, das mehr daran interessiert schien, Corey kennenzulernen, als über seine Hochzeit zu reden.
Als sie die großzügige Terrasse erreicht hatte, wollte sich Corey einer der hohen Türen zuwenden, aber Joy bog nach rechts ab. »Kommen Sie hier entlang, das ist kürzer. Wir gehen durch Onkel Spencers Arbeitszimmer und Corey blieb stehen und wollte auf dem »Umweg« beharren, aber es war zu spät. Spencer Addison kam über die Terrasse gelaufen. Er sah sie und blieb wie angewurzelt stehen. Ein Lächeln überflog sein gebräuntes Gesicht, als er die Hände in die Taschen schob und auf sie und Joy wartete. Einst hatte sein Lächeln ihr Herz in Flammen gesetzt, aber jetzt empfand sie nur einen kurzen, scharfen Stich des Wiedererkennens. In seinen grauen Hosen und dem weißen Hemd mit den hochgekrempelten Ärmeln sah er auch mit vierunddreißig noch immer so umwerfend und sexy aus wie damals mit dreiundzwanzig Jahren.
Er drehte die Wärme seines Lächelns auf, als sie näher kam, und als er sprach, klang seine Baritonstimme voller und zärtlicher, als sie sie in Erinnerung hatte. »Hello, Corey«, sagte er, nahm die Hände aus den Taschen und machte Anstalten, sie zu umarmen.
Corey reagierte mit einem Lächeln, das der Begrüßung einer Zufallsbekanntschaft angemessen war, die man jahrelang nicht gesehen hatte: freundlich, durchaus verbindlich, aber nicht zu persönlich. »Hello, Spencer«, sagte sie, streckte ihm eine Hand entgegen und verhinderte so seine Umarmung.
Er fand sich damit ab, hielt ihre Hand aber länger fest als nötig. Sie entzog sie ihm.
»Wie ich sehe, hast du Joy bereits kennengelernt«, bemerkte er und wandte sich dann leicht vorwurfsvoll an seine Nichte. »Ich dachte, du wolltest mich von Coreys Ankunft informieren.«
„Ich bin gerade erst eingetroffen<<, sagte Corey schnell, sah auf ihre Uhr und fügte hinzu: »Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest? Ich muß vor dem Abendessen dringend telefonieren.« Und auf das vage Risiko hin, daß sich Spencer als Geleitschutz anbot, richtete sie ihre nächste Frage direkt an Joy. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir jetzt mein Zimmer zu zeigen?«
Joy führte sie durch die Halle und eine breite Treppe hinauf. Oben bogen sie in den ersten der Flure ein, die in gleichmäßigen Abständen von der Galerie abzweigten. Ganz am Ende blieb Joy vor einer Doppeltür stehen, legte
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