Doppelbelichtung
drei anderen die Köpfe wandte, um zu sehen, wie sie ihn zurückgab.
Corey hob den Kopf und begegnete seinem herausfordernden Blick. Im Geiste griff sie quer über den Tisch nach seinem Teller und warf ihm den Käsekuchen direkt ins Gesicht. »Wir waren es«, lächelte sie und zuckte andeutungsweise mit den Schultern.
»Aber ihr scheint euch gar nichts mehr zu sagen zu haben«, merkte Joy enttäuscht an. Die Tribüne blickte nach rechts auf Spencer, dann wieder nach links auf Corey, doch die hatte sich klugerweise einen Bissen Käsekuchen in den Mund gesteckt und überließ Spencer den nächsten Schlag. »Das alles ist schon so lange her«, erklärte er.
»Ja, aber Onkel Spencer, vor zwei Tagen warst du noch ganz außer dir, weil Corey ihren Flug um einen Tag verschoben hat. Ich hatte mir schon ausgemalt, daß früher zwischen euch eine ... Beziehung bestanden hat.«
Ausgerechnet dann, als er sich Coreys Aufmerksamkeit nicht wünschte, wurde sie ihm zuteil. Er bekam sogar die uneingeschränkte Aufmerksamkeit aller. Corey hob die Brauen und schenkte ihm einen ernsthaft amüsierten Blick, der ihm irgendwie zu verstehen gab, es geschähe ihm recht. Die anderen Zuschauer verharrten gespannt. »Ich war durchaus nicht »außer mir«, weil sie ihren Flug verschoben hat«, wand sich Spencer. »Ich war »außer mir«, weil ich annahm, sie hätte ihren Flug abgesagt.« Sie sahen ihn weiter an, bis er sich zu einer Notlüge gezwungen sah. »Corey ist eine ausgezeichnete Fotografin, und ihre Tätigkeit ist Bestandteil der Absprache, die deine Mutter mit der Zeitschrift getroffen hat. Dabei handelt es sich um einen rechtsverbindlichen Vertrag. Natürlich ging es mir darum, daß sich Corey auch an ihre Verpflichtungen hält.«
Dieser Gipfel an Heuchelei verschlug Corey buchstäblich die Sprache, und ihre Mutter, die wohl ahnte, daß Corey Spencer am liebsten auf der Stelle die Augen auskratzen wollte, entschloß sich zum Eingreifen. »Corey hält sich stets an ihre Verpflichtungen«, versicherte sie Joy freundlich aber, bestimmt. »Ausnahmslos.«
»Eigentlich«, begann Corey, um weiteren neugierigen Fragen von Joy zuvorzukommen, »war Spencer ein Freund der gesamten Familie, nicht meiner im besonderen.«
Corey freute sich über ihre Erklärung und schien auch Joy befriedigt zu haben, aber unglücklicherweise war es Coreys Großmutter keineswegs. »Ich glaube, das stimmt so nicht ganz, Corey.«
>>Doch, Grandma«, sagte Corey mit warnendem Unterton, »es stimmt.«
»Nun, mag sein, aber immerhin warst du die einzige von uns, die sich die Wände ihres Zimmers mit seinen Fotos tapeziert hat.«
Corey hätte ihre geliebte Großmutter mit Wonne kaltblütig ermorden können, aber im Moment blieb ihr nichts anderes übrig, als sie auf eine Ungenauigkeit hinzuweisen. »Mein Zimmer war gar nicht tapeziert, sondern getüncht.« »Dieser Raum war doch ein einziger Schrein für Spencer«, setzte sich die alte Dame zur Wehr. »Wenn du dort Kerzen entzündet hättest, hätten die Leute Gebete gemurmelt. Allmächtiger, du hast unter deinem Bett doch sogar Alben voller Bilder von ihm gehortet.«
»Und was ist dann geschehen?« wollte Joy wissen.
»Gar nichts ist geschehen«, sagte Corey und warf ihrer Großmutter einen vernichtenden Blick zu.
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie eines Tages für Onkel Spencer urplötzlich nichts mehr empfunden und seine Fotos entfernt haben? Einfach so?«
Corey lächelte sie strahlend an und nickte. »Einfach so.« »Ich bezweifle, daß so etwas möglich ist«, verkündete Joy düster. »Ein Mensch soll von einer Stunde zur anderen seine Gefühle verändern - ohne jeden Grund?« Zum ersten Mal seit Beginn der Befragung hatte Corey das unbestimmte Gefühl, daß Joy nicht nur neugierig war. Sie war verstört.
Coreys Großmutter schien das ähnlich zu empfinden. »Corey hatte gute Gründe, liebes Kind«, sagte sie und tätschelte Joys verkrampfte Hand. »Sie werden nie welche haben, davon bin ich überzeugt.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Spencer hat ihr das Herz gebrochen.«
Im Geist warf Corey resigniert die Arme hoch und ergab sich dem offenbar Unvermeidlichen. Zwischen Verzweiflung und hysterischer Heiterkeit schwankend, wartete sie darauf, daß ihre Würde zum Wohle einer verängstigten jungen Braut auf dem Altar der Wahrheit geopfert wurde. Sie konnte das wohl kaum verhindern, und da sie wußte, daß auch Spencer einige sehr unangenehme Augenblicke erleben würde, lehnte sie sich zurück, verschränkte
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