DoppelherzTOD
endgültigen Gewissheit. Die mussten sie haben. Oder das Kind war wirklich tot. Ich habe meine Tochter begraben. Wie Rebecca Loepki war er sich sicher: Annetta Loepki war tot. Und Rebecca Loepki wusste, warum. Ich habe meine Tochter begraben. Der Satz war keine Lüge.
»Haben Sie gar keine Hoffnung, dass Annetta zu Ihnen zurückkommt?«
»Was heißt Hoffnung? Hoffnung, die brennt bei mir nicht einmal mehr auf Sparflamme. Kein Fünkchen habe ich mehr.«
»Andere Eltern haben ihre Kinder nach Jahren wiedergefunden.«
»Daran kann ich nicht glauben. Annetta kommt nicht wieder zu mir zurück.«
»Woher wollen Sie das denn wissen?«
»Ich weiß es.«
Das Gespräch war absurd. Rebecca Loepki schien Kains Zweifel zu spüren und rückte von Kain ab. Sie saß sehr gerade. »Und jetzt hätte ich gern einen Milchkaffee.«
Kain tat seinen Job. »Wird etwas dauern, die Maschinen sind noch nicht in Betrieb.« Auch er fühlte sich nach dem Themenwechsel besser. Er drückte die Schalter, ließ Wasser in die Kanister laufen, sah nach Zucker und Süßstoff. Rebecca Loepki saß an der Theke und lächelte still für sich, den Blick jedoch immer auf Kain geheftet. Als dürfe ihr keine seiner Bewegungen entgehen. Als schätze sie ab, wie weit sie ihn in ihre Geheimnisse einweihen dürfe.
Nach Minuten sprudelte die Maschine den Kaffee fertig. Der Milchschaum lief über. Kain stäubte Kakao darüber und legte ein Plätzchen neben die Tasse.
»Auf meine Rechnung. Den geb ich Ihnen aus.«
»Ich kann bezahlen. Ich bin nicht arm.« Sie rührte versonnen im Kaffee. Vielleicht dachte sie wieder an Annetta und an ihr Verschwinden. Ich würde nicht alles glauben, was die erzählt.
Frederikes Schritte unterbrachen die intime Atmosphäre. Sie erschütterten die Metallkonstruktion der Treppe. Es hallte. Die Chefin warf Papiere in die Abfallkisten und legte heute keinen Wert auf eine exakte Mülltrennung. Kataloge und Quittungen fielen in die Körbe für die Flaschen weiß und grün. Kain würde das bei der Entsorgung wieder richtig sortieren.
»Wir haben noch nicht geöffnet!«
Der Ton hätte Stahl schneiden können. Frederike rückte Stühle und wischte über die Tische. Rebecca Loepki und Kain schauten sich verständnislos an. Die Chefin benahm sich nicht normal, so viel war sicher.
»Ich würde Sie bitten, das Lokal zu verlassen.« Frederikes Stimme schraubte sich immer höher. »Und du kannst gleich mitgehen. Ein Kellner führt keine privaten Gespräche mit seinen Gästen am Tresen.«
Frederike stand immer an den Tischen und plauderte. Über neueste Theaterinszenierungen, Familie, Rezepte, die Zukunft. Sie kannte Hinz und Kunz. Und viele Gäste kamen ihretwegen hierher und tranken im Waschsalon ihr Bier. Wenn Frederike keine privaten Gespräche mehr wollte, dann war sie selbst fehl hier am Platz. Frederike bedrückte etwas. Sie konnte das nicht verbergen.
»Rebecca trinkt nur einen Kaffee, du weißt doch, was mit ihrer Tochter passiert ist.«
»Ich denke, du liebst die Eva? Warum umgarnst du dann dieses nette Mädchen und machst ihr Avancen?«
Er ließ sich nicht provozieren. »Sie ist einsam. Sie muss mit jemandem reden.«
»Da kommst du grade recht. Männer sind Schweine. Junge Frau, das können Sie sich merken. Schweine sind das. Die flüstern Ihnen die tollsten Sachen ins Ohr, und am Tag darauf ist das alles vergessen.«
Kain ahnte, worauf Frederikes Anspielungen hindeuteten. Bruno. Den beschäftigte noch immer der Tod von Hosfeld. Er saß nicht mehr jeden Abend hier im Waschsalon, er besuchte Frederike nicht mehr. Er ging mit einer Brigitta auf Mörderjagd. Frederike war eifersüchtig. Sie vermisste Bruno. Sonst tat sie immer so cool, wenn er nicht da war. Das war jetzt anders, und das war wahrscheinlich ihr Problem.
Rebecca Loepki rührte in ihrem Kaffee. »Ihr Kellner ist ein ganz Lieber.«
»Ich würde ihm nicht vertrauen. Der kommt ganz nach seinem Kollegen.«
»Ist was mit Bruno?« Genau. Der wunde Punkt war gefunden.
Frederike drehte sich um. »Dein Bruno ist gestorben. Für mich jedenfalls.«
Die Sache stand schlimmer, als Kain gedacht hatte. »Einen Kaffee, Frederike?«
»Nein!« Sie stapfte die metallenen Stufen wieder nach oben. Die Bürotür knallte.
»Frauen können ihre Gefühle schlecht verbergen.« Rebecca Loepkis Blick verhieß Kain alles.
15.
Er roch Kaffeeduft und hörte jemanden mit Geschirr und Besteck hantieren. Eine Kühlschranktür klappte. Der Frühstückstisch wurde gedeckt.
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