DoppelherzTOD
sagte nichts. Kain hörte sie atmen. Endlos lang erschien ihm das Schweigen.
»Dann lasst euch beide nie wieder bei mir blicken! Nie wieder!«
»Ruf Walter an, bitte, dann wirst du verstehen, Frederike. Rebecca Loepkis Kind ist wirklich tot. Sie hat es mir eben erzählt.«
»Ruf ihn doch selbst!«
»Frederike, komm schon! Sie haben mich eingesperrt. Ich kann hier nicht raus.«
»Ich unterstütze wohl eure Tricks! Ihr könnt es nicht lassen, dieses üble Wühlen im menschlichen Sumpf. Und ihr zieht alle, die ihr kennt, mit in den Abgrund. Einmal ist Schluss.«
»Frederike! Sie halten mich hier gefangen!«
»Und ich heiße Marilyn Monroe.«
Frederike legte auf. Kain wählte Walters Nummer: »Der gewünschte Gesprächspartner ist vorübergehend nicht erreichbar… « Kain begann die Tür einzutreten.
20.
Musik hallte vom Tonband. Vor dem Krematorium wurden die letzten Trauernden zur Feier gebeten. Die Anwesenden suchten sich ihre Plätze. Bruno Ehrlicher setzte sich neben Walter und belegte den anderen Stuhl mit seiner Jacke. Kain hatte ihn gebeten, einen Platz frei zu halten. Er hatte noch nicht gewusst, ob er von Frederike für diesen Anlass dienstfrei bekommen würde.
Die Hinterbliebenen hatten mit mehr Interesse gerechnet, der Saal war kaum halb gefüllt. Die Urne stand in der Front des Raumes und ging unter in den ihr zur Seite gestellten Accessoires. An der Stele lehnten Kränze. Auf Gestelle waren Blumensträuße gesteckt. Die letzten Grüße waren ästhetisch drapiert. Unvergessen! Wir werden dich in Erinnerung behalten. Du wirst uns fehlen. Hannelore und Heike und dein Bienchen. Die Kollegen. Frau Neumann-Sinsmann vom Haus Roseneck. Kerzen leuchteten an den Seiten des Podests und an den Wänden. Das Kreuz dahinter wirkte wuchtig und groß. Ehrlicher würde solch ein Kreuz bei seiner Trauerfeier testamentarisch verbieten. Es spielte in seinem Leben keine Rolle. Warum sollte es sie im Tod noch bekommen? Überhaupt wollte er Tommi und die um ihn Trauernden nicht zu Handlungen zwingen, die sie nicht tun wollten. Frieder Hosfeld hätte diese Inszenierung sicher genossen. Er hatte immer gern im Mittelpunkt gestanden.
»Danke, dass du ihn mir frei gehalten hast.«
Kain setzte sich neben Ehrlicher und schüttelte ihm und Walter die Hand. Kain war noch kurzatmig, offensichtlich war er gerannt. Der Polizeisport schien ihm als Training zu fehlen.
»Hat Frederike ein Einsehen gehabt?«
»Sie hat mich sogar gefahren.«
Ehrlicher schwieg. Seit dem Vorfall mit Brigitta herrschte Funkstille zwischen Frederike und ihm. Immer wieder hatte Ehrlicher seinen Gang nach Canossa in den Waschsalon verschoben. Er wollte bei Frederike Abbitte leisten und sich entschuldigen, aber bislang fehlte ihm dafür der Mut. Sein Gewissen hatte ihm noch nie solche Schwierigkeiten bereitet. Vielleicht war heute ein Anlass, nach dieser Feier mit Kain den Waschsalon zu besuchen.
Wie aufs Stichwort sah er Brigitta den Saal durchschreiten. Sie trug einen Kranz mit goldenen Bändern und blassroter Schrift und versuchte, ihn zwischen den anderen zu platzieren. Ein Mitarbeiter des Bestattungsamtes nahm ihn ihr aus der Hand und legte ihn auf einen Wagen, wo schon die anderen Gebinde lagen. Brigitta schaute sich nach bekannten Gesichtern um und lächelte, als sie Bruno erblickte. Dann schritt sie hoheitsvoll auf Ehrlicher zu. Er konnte ihr nicht verwehren, dass sie vor ihm Platz nahm. Sie waren im Streit auseinandergegangen, und er hatte sich jeden weiteren Kontakt mit ihr verbeten. Nie wieder sehen wollte er diese Dame. Brigitta nickte ihm zu, als sie sich genau vor ihn setzte und ihren Hut abnahm. Er roch ihr Parfüm. Sie lächelte.
»Zu solch traurigen Anlässen trifft man sich wieder.« Brigitta Johannsen seufzte und raffte ihren Mantel.
Kain pfiff unhörbar durch die Lippen. »Das ist Brigitta? Bruno, woher kennst du denn solch Frauen?«
»Halt deinen Mund!«
Ehrlicher wollte nicht darüber reden, was zwischen ihm und Brigitta gewesen war oder was nicht. Er sah sie noch vor sich mit hassverzerrtem Gesicht. Was du einmal besitzt, gib es nie wieder her! Er sah das Messer, das vor ihm blitzte. Und Brigitta hätte es ihm ohne Zweifel in seine Eingeweide gerammt, wenn er sie nicht auf der Terrasse überwältigt und aus seinem Haus katapultiert hätte. Er war zwar altersbedingt aus dem Polizeidienst geschieden, aber so wacklig war er noch nicht, dass er sich gegen diese Person nicht zu verteidigen gewusst hätte. Und er hatte
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