DoppelherzTOD
dann wird es leichter.«
Rebecca Loepki schüttelte ihren Kopf, sie weinte. Kain saß ihr am Tisch gegenüber und stellte keine weiteren Fragen. Er zögerte, ihr die Hand zu streicheln. Auf den Kaffee verzichtete er, sie hatten vergessen, ihn aufzubrühen. Das Wasser im Kocher war längst wieder kalt. Rebecca fiel das nicht auf. Kain musste keinen Kaffee trinken, er sah aus dem Fenster. Der Himmel war grau, Flocken fielen. Nicht nur er wartete auf die Sonne und den Frühling. Aber der Winter dauerte an. Die Fenster im Haus gegenüber waren zerschossen oder vernagelt. Der Putz bröckelte. In der Dachrinne wehte ein altes Kleid blassblau im Schnee.
Rebecca Loepki wohnte in einem Viertel, in dem die Häuser noch nicht renoviert worden waren, und Modernisierungen standen in nächster Zeit wohl auch nicht an. Zwischen bewohnten Häusern verfielen Ruinen. Die Türen hingen schräg in den Angeln, viele Gebäude waren mit groben Ziegeln vermauert. Süchtige übernachteten hier, ein Dach überm Kopf zum Schlafen und für den nächsten Schuss war besser als der Park. Die Bewohner und die Bausubstanz waren marode. Der kaum vorhandene Komfort bestimmte die Mieten. Sie waren hier weit unter dem Durchschnitt. Stadt und Investoren wohnten diese Häuser leer und rissen sie dann ab. Es war ein Viertel, das nicht mehr lebte. Hier wohnte Rebecca Loepki.
Kain musste mit ihr sprechen, nicht im Café, sondern unter vier Augen. Auch Ehrlicher hatte gemeint: Rede mit ihr und säusel nicht rum! Jetzt saß Kain mit der jungen Frau in ihrer schmalen Küche und wollte herausfinden, was mit Annetta passiert war. Und seine Beziehung zu ihr klären. Eine Beziehung, die es nie gegeben hatte. Da war nichts, da würde auch nie etwas sein. Rebecca Loepki redete sich da etwas ein. Flocken klatschten ans Fenster und schmolzen augenblicklich, Wolken jagten am Himmel entlang. Kain fühlte sich unsicher und hoffte, dass er das Gespräch schnell hinter sich bringen konnte.
Rebecca Loepkis Adresse hatte Kain bei Walter erfragt. Der hatte ihn schließlich erst auf diese Spur gehetzt, hatte ihn an seiner empfindlichen Stelle getroffen, an seinen Ehrgeiz und sein Gewissen als Polizist appelliert. Einmal Bulle, immer Bulle! Kain musste dieses unwürdige Spiel endlich beenden. Er wollte Rebecca Loepki nicht enttäuschen, aber ihre Hoffnungen waren vergeblich. Kain empfand nichts für sie. Überhaupt nichts. Natürlich hatte er Mitleid mit ihrem Schicksal. Das Kind zu verlieren ist die schlimmste Katastrophe für alle Mütter. Sie wurden ihres Lebens nicht wieder froh. Die Frau, die ihm gegenübersaß, war verzweifelt. Sehr verzweifelt. Aber sie schwieg, sie redete sich nicht ihre Ängste, ihren Frust und ihre Hoffnungen von der Seele. Kain wusste nicht, ob er der geeignete Gesprächspartner für sie war. Aber er hatte Rebecca bereits zu viel vorgespielt. Er hätte sich von Walter nicht diese Idee in den Kopf setzen lassen dürfen. Wir haben Spuren, die sich einfach nicht mit ihrer Aussage decken. Er strich Rebecca sacht über die Hände. Sie griff einen seiner Finger und hielt ihn fest.
»Ich weiß, dass du Annetta nicht töten wolltest.« Kain fand keine Worte, die der Situation und ihrem Charakter angemessen erschienen, aber er war sich sicher, dass Annetta Loepki nicht mehr lebte. Ich habe meine Tochter begraben. »Erzähle mir einfach, was passiert ist, Rebecca. Es gibt eine Lösung, für alles gibt es eine Lösung.«
»Gibt es nicht.«
Ihre Stimme war so leise, dass er sie kaum verstand. Kain erwiderte den Druck von Rebeccas Hand. Wieder reine Schauspielerei. Er log sie schon wieder an. Sie blickte ihn voller Hoffnung an, versuchte ein Lächeln. Das misslang. Es war eine Farce, und er spielte die Hauptrolle. Er musste spielen. Walter hatte recht. Kain war ein Bulle. Es ließ ihm keine Ruhe. Er konnte diesen Fall klären. Dijamal Kaya hatte seine Tochter nicht entführt. Rebecca war schuldig. Sie würde ihm alles erzählen, und dann würde Kain sie anzeigen müssen.
»Ja. Ich habe meine Tochter begraben.«
Diesen Satz hatte Rebecca Loepki schon einmal gesagt, nur hatte Kain nicht die gesamte Tragweite erkannt. Ich habe meine Tochter begraben. Jetzt war sie offensichtlich bereit, ihm die Wahrheit zu sagen. Vielleicht hatte sie es schon damals tun wollen. Einmal Kriminalist, immer Kriminalist! Kain musste Geduld und Verständnis aufbringen, aber die Gefühle, die Rebecca von ihm erwartete, konnte er nicht spielen. Kain war nicht in Rebecca verliebt. Er
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