Doppelkinnbonus: Gesamtausgabe (German Edition)
sich Rommelfeld in das Gespräch, der zweifellos erst in diesem Moment bemerkt hat, dass ich auch nur ein einziges Gramm abgenommen habe.
„So oder so.“ Frau Zander klopft mit mütterlich auf die Schulter. „Sie sehen hinreißend aus.“
Im Augenwinkel sehe ich, wie sich die Tür von Angelas Zimmer öffnet.
„Herr Rommelfeld“, ruft sie über den Flur. „Ein dringender Anruf für Sie. Die Kollegen aus Münster.“
Er verschwindet, gefolgt von der üblichen Rasierwasserwolke, in Angelas Büro, während mir Frau Zander freundlich zunickt. „Entschuldigen Sie mich, aber ich glaube, es kann nicht schaden, wenn ich dem Telefonat beiwohne. Wenn ich schon mal hier bin.“
„Natürlich.“ Mein Anstandslächeln ist mittlerweile einem echten gewichen. „Hat mich sehr gefreut, Sie mal wiederzusehen.“
„Mich auch, meine Liebe. Mich auch.“
Ich lasse mich auf meinen Drehstuhl fallen und betrachte die Kaffeetasse neben einem Stapel einzutragender Rechnungen. Frau Zander ist für ihre mütterliche Freundlichkeit bekannt. Und dafür, immer einen Hauch zu dick aufzutragen. Bei der Freundlichkeit und bei ihrem Makeup.
Dieses Mal bringt mich diese Tatsache jedoch zum Lächeln. So gekünstelt ihr Verhalten auch sein mag, eines steht fest: Sie hat Stil. Und es macht mich widererwarten stolz, von einer Frau wie ihr als hinreißend bezeichnet zu werden.
Hinreißend. War das nicht auch das Wort, das mir Helge erst gestern zur Begrüßung entgegengehaucht hat?
„Du siehst hinreißend aus, Romy.“
Oder war es ein entzückend ?
Ich wundere mich, dass ich die Hälfte unserer Unterhaltung bereits einen Tag später wieder vergessen habe.
Das Essen war nett, ohne Frage. Er hat viel von seiner Arbeit gesprochen, ohne dabei zu dick aufzutragen. Und er hat mich mit scheinbar ernsthaftem Interesse über meinen Job ausgefragt, wurde sogar überaus hellhörig, als ich ihm von meinen ersten Schritten mit der Band erzählt habe.
„Großartig!“, hat er es genannt.
Genau da reißt mein Erinnerungsfaden auch schon wieder ab. Großartig findet er es, dass ich singe. So großartig, dass er bei unserem ersten Auftritt am Freitag dabei sein will.
Im Grunde keine schlechte Idee. Maik und Veronika werden auch da sein. Warum also nicht auch er?
Trotzdem fühlt sich der Status unserer Bekanntschaft noch immer seltsam ungewohnt an. Er ist kein Fremder im eigentlichen Sinne, ein Freund allerdings auch nicht. Und mehr als ein Freund?
Eine Frage, die mich zweifellos überfordert.
Ich denke an unseren Kuss am See, als er mir die Anlegestelle für die Boote gezeigt hat. Richtig süß war die Unbeholfenheit, in der er neben mir herlief, nur um dann abrupt stehen zu bleiben und mich wie ein schüchterner Achtklässler anzulächeln.
Ob ich ihn ernsthaft nervös mache?
Der Kuss war okay. Mehr als das. Und er war nur eine weitere von Tag für Tag zunehmenden Bestätigungen für mein neues Aussehen, das mir Türen öffnet, von denen ich bisher nicht einmal wusste, dass es sie gab.
Trotzdem schwingt mit jedem Gedanken an Küsse, Bestätigungen und Beinahe-Affären der bittere Beigeschmack der Enttäuschung mit. Die Enttäuschung, seit Tagen nichts von Alexander gehört zu haben. Kein Anruf, keine SMS, kein grüner Kreis neben einem Namen.
Noch viel schlimmer ist jedoch die Gewissheit, dass sich dies nicht ändern wird. Und zwar, weil ich es so wollte.
Neben meinem Schreibtisch kündigt sich mit unliebsamem Piepton ein Fax an und erinnert mich daran, dass der Feierabend noch ein paar Stunden entfernt ist.
Seufzend wende ich mich erneut den Rechnungen zu. Aber wenigstens sehe ich einfach hinreißend aus, während ich das tue.
Kapitel 10: Wenn der Grund für alles fehlt
„ Wenn ich verzweifle
Den Mut verlier’
Dann nur, weil du nicht bei mir bist
Wenn ich mich schwer tu’
Nach vorn zu sehen
Dann nur, weil’s ohne dich so dunkel ist
Wenn andere reden
Und diskutieren
Dann hör’ ich selten wirklich zu
Und wenn sie fragen
Sag ich, mir fehlt nichts
Doch, was mir wirklich fehlt, bist du
Weil im Grunde gar nichts zählt
Wenn der Grund für alles fehlt
Weil meine Hand nichts machen kann
Wenn sie nicht deine halten kann
Und all die Leute
Sind wir Schachfiguren
Sehen alle gleich aus gegen dich
Und jeder Ort ist
Ganz ohne Farbe
Ohne Ton und ohne Licht
Wenn du nicht da bist
Und ich nicht weiß
Wann wir uns jemals wiedersehen
Und überhaupt kann
Ich gar nichts machen
Als immer nur im Kreis zu gehen
Weil im
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