Doppeltes Spiel (German Edition)
sich so gefreut, dass eine ihrer Töchter endlich unter die Haube kommt.«
Margo lehnte sich zurück und wartete, während sie Lysette unter gesenkten Lidern betrachtete.
»Was?«, rief Lysette überrascht. Sie hatte wirklich einen Moment gebraucht, um Margos Worte zu verstehen. »Du willst doch nicht etwa behaupten, dass du ...«
Margo schnurrte wie eine zufriedene Katze. »Oh ja«, sagte sie nachdrücklich. »Ich bin das Junggesellinnenleben gründlich leid, chérie . Den Mann habe ich gefunden, jetzt warte ich noch darauf, dass er mir einen Antrag macht. Und das wird er bald tun, er ist nämlich verrückt nach mir.« Sie trank und ließ die Eiswürfel in ihrem Glas klirren.
»Das sind ja Neuigkeiten.« Lysette war sprachlos. Sie erwartete, dass ihre Schwester ihr nun alle Neuigkeiten brühwarm und in allen Einzelheiten schildern würde, aber Margo spielte mit dem leeren Glas, das sie anstarrte, als enthielte es die Kronjuwelen oder die Antwort auf alle Rätsel des Lebens. Ganz offensichtlich hatte sie etwas auf dem Herzen und es fiel ihr schwer, damit herauszurücken.
»Das ist doch großartig - also was bedrückt dich?«, fragte Lysette. »Ist dein Zukünftiger am Ende schon verheiratet?« Sie lachte.
Margo blieb ernst. Sie stellte das Glas ab, rückte es über den Tisch und wischte mit den Fingern über den nassen Rand, den es auf der Platte hinterlassen hatte. »Lys, ich brauche deine Hilfe«, sagte sie.
Warum hatte Lysette sich das denken können? Margo und sie hatten seit ein paar Jahren schon keinen allzu engen Kontakt mehr. Aber als Margo sie anrief und damit lockte, dass sie einen Job für Lysette hätte, hatte Lysette nicht gezögert, ihre Tasche zu packen und in den nächsten Zug zu steigen.
»Schieß los«, forderte Lysette sie auf.
Margo malte kleine Kringel auf die Tischplatte. »Dieses Wochenende feiert Philippes Tante ihren 65. Geburtstag«, sagte sie.
Lysette hob fragend die Brauen. Wer war Philippe? Und was hatte seine Tante mit ihnen zu tun?
Margo lachte. »Ich fange schon wieder hinten an«, schimpfte sie. »Liebes, danke für deine Geduld. Philippe Gaillard ist der Mann, den ich zu heiraten gedenke.«
»Ein Franzose.« Lysette nickte. Margo hatte die Heimat ihrer Mutter immer geliebt, während Lysette die Nordseeküste und deren herbe Schönheit vorzog. »Wo hast du ihn kennengelernt?« Wahrscheinlich war er aus der »Branche«, wie Margo es nannte. Ein Fotograf oder Modedesigner, der Inhaber einer Modelagentur oder ein Journalist ...
»Auf einem Empfang«, erwiderte ihre Schwester, wie Lysette es erwartet hatte. »Er ist Anwalt.«
Lysette musste das erst einmal verdauen. »Ein Anwalt?«, fragte sie nach, weil sie glaubte, sich verhört zu haben.
Margo nickte ein wenig ungeduldig. »Er ist sehr solide und verlässlich, nicht so ein Paradiesvogel oder verrücktes Genie. Davon hatte ich in den letzten Jahren genug um mich. Ich brauche so jemanden wie Philippe.«
Lysette konnte nicht anders, sie lachte. »Das klingt aber erstaunlich normal und langweilig.«
Margo sah sie beleidigt an. »Wie meinst du das?«, fragte sie.
Lysette schüttelte den Kopf, immer noch lachend. »Nein, nein, du hast ja recht. Ein Jurist. Sehr vernünftig.«
Margo spitzte gekränkt die Lippen. »Also bitte«, sagte sie. »Philippe ist der Juniorpartner einer alteingesessenen Kanzlei in Avignon.«
Natürlich würde sich Margo nicht mit einem einfachen Rechtsanwalt abgeben. Juniorpartner war da schon das Mindeste. Lysette nickte und machte kleine, besänftigende Geräusche.
»Nun gut«, fuhr Margo nach einer Weile fort. »Philippes Tante kann mich nicht besonders gut leiden, fürchte ich. Er ist ihr jüngster Neffe, ihr Goldstückchen, da ist keine Frau gut genug.« Sie warf Lysette einen Blick zu, der Bände sprach. Anscheinend war die Tante ein echter Drachen. Lysette verkniff sich ein Lächeln und nickte nur. Was konnte Margo nur von ihr wollen?
»Ich möchte dich engagieren«, kam ihre Schwester nun endlich zum Punkt. »Du bist doch gerade frei, oder?«
»Ja«, erwiderte Lysette resigniert. »Ich habe noch ein paar Vorsprechtermine, aber ... ja, im Moment bin ich ohne Engagement.« Das Los der Schauspielerin. Ihr Vertrag mit dem Hamburger Thalia-Theater war zum Ende der Spielzeit ausgelaufen, und jetzt begann für sie wieder die Zeit der Bewerbungen, der endlosen Bahnfahrten, um gelangweilten Intendanten vorzusprechen, die etwas Blutjunges, am liebsten frisch von der Schauspielschule, suchten -
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