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Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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selber heute so zum Kotzen finde, wenn ich sie gelangweilt an irgendeinem S-Bahnhof rumhängen sehe und weiß: Unheil naht.
    Wir schlitzten verhassten Lehrern die Reifen auf, malträtierten ganze Klassen mit Chinaböllern oder Stinkbomben (die kleinen Fläschchen übten eine magische Anziehungskraft auf mich aus, ich sehne mich noch heute nach ihrem Anblick, eine Essenz der Macht) und brachen nachts in die Schule ein, um Chemikalien zu klauen, die ich unter den Bodenbrettern unseres Dachbodens versteckte und die meine Machtgefühle steigerten. Ich lagerte sozusagen Chemiewaffen ein.
    Es war 1979.
    Wir waren auf dem Weg zur anderen Seite.
    Fort von den geraden Pfaden, Schule, Sportverein, Tanzstunde, hin zu dem Gefühl, anders zu sein als die meisten anderen. Warum wir so waren, fragten wir uns nicht. In uns klafften wachsende Löcher, eine bodenlose Leere breitete sich aus, das Fehlen der kindlichen Geborgenheit, aufkeimende Sexualität und die absolute Ahnungslosigkeit über die eigene Identität erzeugten eine schmerzhafte Säure aus Langeweile, Angst und Ablehnung, die durch unsere Adern floss. Langeweile als Antriebsfeder des kleinen Bösen. Was tun mit uns, wohin mit uns? Wir brauchen Ablenkung, Bewegung, Kicks. Das Stillhalten tut so weh. Wir müssen aktiv leiden, wir oder andere, das nimmt uns den Druck. Die Flucht nach vorne nimmt uns die Angst.
    Lass uns irgendeine Scheiße bauen.
    Irgendwas.
    Bitte.
    Um den Mädchen in der Klasse zu imponieren, schraubten wir die Klingen aus den Anspitzern und schnitten uns die Arme auf. Anfangs noch abstrakt expressionistisch, später in Symbolen und Buchstaben. Ich ritzte mir einen Mercedesstern mit den Buchstaben R, S, B (die Initialen unserer Vornamen) in den Unterarm. Als Zeichen unserer Zusammengehörigkeit. Die Mädchen kreischten, wenn sie das Blut sahen. Das kickte und bestätigte uns, war ein Zeichen des Respekts, den wir genossen. Wir waren die Härtesten! In der Klasse. Sie hatten Angst vor uns und machten sich gleichzeitig Sorgen. Geile Mischung.
    Blut quoll durch die geöffnete Haut. Das Erkennen der eigenen Grenzen. Hier, wo der Schmerz ist und das Blut fließt, höre ich auf und fängt die Welt an. Das war Selbsterkenntnis. Und das waren Initiationsriten, etwas, das Mädchen mit dem Beginn ihrer Periode ganz von selbst erleben. Wir mussten uns unsere Blutung Tropfen für Tropfen erarbeiten, ohne auch nur im Geringsten zu ahnen, warum wir das taten. Das Wort Initiation war uns unbekannt.

Die Königin des Discoplaneten
    Sybille Pocher war schon früh zur Frau geworden. Sie war der Discosextraum aller Jungs an der Schule. Oft trug sie einen weißen, hautengen Samtanzug und darunter ein durchsichtiges Spitzenhemd, durch das man ihre wunderbaren Brüste ziemlich genau sehen konnte, dazu spitze, hochhackige Stiefeletten. Sie hatte ein hübsches Gesicht und war äußerst selbstsicher. Sie war ein Glamtraum aus Saturday Night Fever, und sie spielte mit uns. In der Pause in der Aula setzten sich alle Jungen wie zufällig immer in ihre Richtung, um heimlich einen Blick auf ihren Körper erhaschen zu können. Ihr gefiel das. Die anderen Mädchen waren schwer genervt.
    Wir waren in einer gemeinsamen Mischgruppe in Physik oder so. Sie saß in der letzten Reihe, und immer, wenn der Lehrer sich zur Tafel umdrehte, zog sie ihre Bluse hoch, wir Jungen konnten unser Glück gar nicht fassen. Mit einer Handbewegung ließ sie zwanzig Schwänze gleichzeitig steif werden, und auch auf den Lehrer übertrug sich der sexuelle Stress, wenn er aus den Augenwinkeln ihren nackten Oberkörper erahnen konnte und unser Moschusgeruch das Klassenzimmer vernebelte. Aber bevor er sich gänzlich zurückgedreht hatte, bedeckte die Bluse wieder ihre Brust. Wir schwitzten um sie herum und konnten uns überhaupt nicht mehr auf den Unterricht konzentrieren.
    Einmal, in einer Freistunde, saßen wir zu viert in der Klasse, Sybille, ich und zwei andere Typen. Auf einmal bot Sybille mir an, meinen Kopf unter ihren Pullover zu stecken. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Sie wollte wohl testen, wie mutig ich war, und wie hungrig. Langsam ließ ich meinen Kopf unter den Pullover gleiten, spürte das Pochen in meinen Lenden und die Hitze ihrer Brüste. Ich wagte nicht, sie anzufassen oder zu küssen, ich stand ihnen nur fassungslos gegenüber, so perfekt fand ich sie. Es waren immerhin die Brüste von Sybille Pocher, ganze Klassen sehnten sich nach ihnen. Nach traumhaften zehn Sekunden tauchte ich

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