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Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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wieder unter ihrem Pullover auf. Ich glaube, ich hatte den Test nicht bestanden, denn sie machte eine spöttische Bemerkung über mich. Vielleicht hätte ich aktiver sein sollen? Auf jeden Fall war ihr Angebot freizügiger und sexuell aggressiver als meine Reaktion vor Ort.
    Kurz danach wurde Sybille Freak und legte ihr Sex-Image zugunsten gereifter Alternativität ab. Schade für viele, aber gut für sie.
     
    Langsam, aber sicher löste ich mich aus der Dorfszene. Immer seltener tauchte ich bei Bauer Nold auf, mein geliebter Melkerhut aus Cord, der an der Stirnseite ganz speckig war vom Gegen-die-Kuh-Lehnen beim Ansetzen der Melkmaschine, hing ungenutzt bei uns am Haken. Das war mir nicht mehr hart genug. Die anderen Dorfjungs fragten mich, warum ich nicht mehr käme, aber ich konnte es nicht begründen, etwas zog mich weiter, etwas in mir wollte dem Kuhstallidyll entfliehen und zu anderen Ufern der Härte gelangen.
    Ein neues großes Interesse tauchte auf: Mofas!

Große Passion Gestaltenbeschleuniger
    Sonny Sommer hatte bereits früh eine eigene Zündapp, ich glaube, zuerst eine ZD 50, später eine KS 50. Er war ein echter Bauernsohn und kam aus einem benachbarten Dorf, acht Kilometer entfernt. Die Bauernsöhne mussten motorisiert sein und durften schon mit sechzehn Führerschein machen. Sein Bruder Jochen war zwei Jahre älter und fuhr ein Zündapp Krad. In Kennerkreisen fuhr man damals nur Zündapp, alles andere war Quatsch mit Soße.
    Oft kam Sonny mit seiner Kiste vorbei, und wir fuhren zum Nachbarschaftsshop nach Siel, um uns Apfelkorn zu kaufen, den wir dann an der Bushaltestelle tranken. Apfelkorn oder Boonekamp. So was hatte Wert. Oder ich war bei ihm und wir schraubten an Vergasern, sägten Krümmer ab, ersetzten Luftfilter durch Damenstrumpfhosen oder bohrten Zylinder auf, alles mit dem Ziel, ein Höchstmaß an Lautstärke und Tempo zu erreichen. Wenn man alles richtig machte, konnte man so eine Kiste locker auf bis zu 60 Sachen hochtunen, das brachte eine Mordsgaudi. Meistens tauschten wir Teile mit anderen und bauten uns daraus unsere Böcke zusammen. Manchmal klauten wir auch eine Puch Maxi, zerlegten sie in irgendeinem Feld, schleppten die besten Teile nach Hause und versenkten den Rest im Dorfteich. Noch hatte ich keine eigene Kiste, aber das sollte bald kommen.
    Jochen Sommer, Sonnys großer Bruder, war der erste Punk, den ich kannte, sogar vor David Becker. Ich glaube, er hatte sich schon 1978 die Haare abgeschnitten und hörte Sex Pistols. Da es bei uns keinen Plattenladen gab, bestellte er sich seine Tonträger bei 2001 oder einem ähnlichen Lieferanten. Ich wusste nicht, was an Punk geiler als an AC/DC sein sollte, und hielt zu den Hardrockern, obwohl einige Typen aus der Schule behaupteten, AC/DC seien auch Punk. Später klebte ich mir auf eine Lederimitatjacke hinten mit Filzbuchstaben AC/DC drauf und hielt mich dadurch für Punk, ohne eigentlich zu wissen, was das sein sollte. Punk war wohl einfach das Härteste.
    Eines Tages kam Sonny also mit kurzen Haaren zur Schule, dazu hatte er an seiner Lederjacke die ersten Badges, die ich je sah. Von Spizz Energy, glaube ich. Jetzt gab’s bei uns an der Schule schon sechs Punks, Jochen, Sonny und vier andere etwas ältere Typen, die ich nicht richtig kannte. Ich bekam Torschlusspanik.
    Damals saß ich manchmal in der Teestube vom Haus der Jugend rum und hielt mich kurzfristig für einen Freak. In Wahrheit gab es nur einen Grund, warum ich dorthin ging: Wenn man reinkam, standen sofort alle Mädchen auf, und man konnte sie umarmen und küssen! Ich spürte ihre knospenden Busen unter den Batikhemden, ließ meine Hände über ihre Hüften fahren, schloss beim Begrüßungskuss kurz die Augen, als wenn’s ein echter wäre. Das muss man sich mal vorstellen! Spitzenbräute stehen auf und küssen einen freiwillig. Leider nicht auf Zunge, aber immerhin auf den Mund. Und das waren tolle, reife Frauen. Ich ging so oft wie möglich durch die Tür in diesen Raum, um begrüßt zu werden. Aber wenn ich zurück- und runterkam aus dem zweiten Stock, hingen unten die Punks rum und pöbelten mich an. Beschimpften die Freaks als weiche Flaschen, lächerliche Hippies. Das war demütigend. Und so stellte sich die Frage: Was war wichtiger, Küsse oder Härte?
    Härte.

Isi Brandt und das Glas von John Lennon
    Zu dem Zeitpunkt, kurz bevor ich das letzte Mal in die Teestube ging, lernte ich Isi Brandt kennen. Ein Freund aus der Teestube namens Phil erzählte mir von

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