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Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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das Dach hatten sie einen weißen Kindersarg geschnallt, in dem die Gitarren und der Bass verstaut waren. Großes Gejohle setzte ein, und die Hosen drehten hupend eine Ehrenrunde. Das waren also die neuen Punkstars. Ein denkwürdiger Auftritt, zugegebenermaßen. Dann fuhren sie weiter zum Haus der Jugend, um ihre Instrumente aufzubauen.
    Das Konzert war spitzenmäßig. Zuerst waren die Zitronen dran, dann spielten die Hosen alle Songs der «Opel Gang» und der beiden Singles, und wir pogten, was das Zeug hielt. Danach wurde gefeiert, und später pennten wir irgendwo, manche dort, wo sie gerade hingefallen waren, andere bei den Timmendorfer Punks zu Hause.
    Dieses Konzert war der Anlass für die Amigos, raus zu wollen. Wir müssten auf Tournee gehen, fand ich, in fremden Städten spielen und uns unseren Ruhm erkämpfen, so wie hier gerade gesehen.
    Ein paar Monate später spielten die Hosen um Silvester herum in Berlin, und Fliegevogel und ich beschlossen hinzufahren. Wir zogen unsere neu erstandenen Schlaghosen an, ein paar zerfetzte Pullover und unsere Sombreros. Wie räudige Banditen sahen wir aus. Ich trug ein Kinderpistolenholster, in das ich in Ermangelung einer Waffe eine Bierflasche steckte. Wir trampten und brauchten aufgrund unseres Aufzugs zwei Tage, um nach Berlin zu kommen. An der Grenze ließ man uns allerdings anstandslos durch, nur rein mit dem Dreck nach Westberlin, mögen sich die Grenzer gedacht haben.
    Fliegevogel und ich rannten durch Kreuzberg und hatten keine Ahnung, wo wir hin sollten. Wir hatten kein Gepäck dabei, sondern waren einfach so losgefahren. Adressen zum Pennen hatten wir auch keine. Unsere finanziellen Reserven beschränkten sich auf in etwa dreißig Deutsche Mark. Auf unserem ziellosen Weg durch die winterliche, verschneite Stadt trafen wir am Abend in Kreuzberg auf einmal auf die Hosen. Sie kamen uns auf offener Straße zu Fuß entgegen und waren sofort angetan von unserem Äußeren. Andi sagte zu den anderen: «Guckt mal, die haben ja viel geilere Hosen als wir an.» Damit meinte er meine Schlaghose, die aus silbernem Stretchstoff gemacht war und wie zwei kleine Weihnachtsbäume in der Nacht glitzerte. Außerdem sahen unsere Sombreros cool aus. Ich war stolz wie Bolle. Also modemäßig waren wir schon mal am Drücker. Campi fragte uns, ob wir mitkommen wollten in die Rote Laterne, etwas essen. Wir hatten uns in Timmendorf noch nicht kennen gelernt, und Fliegevogel und ich fühlten uns geehrt, von Campino gefragt zu werden. Zu dem Zeitpunkt hatte ich gerade den Club der Gemeinen gegründet, dessen Mitglieder verpflichtet waren, jeden Tag eine schlechte Tat zu vollbringen. Zum Beweis der Zugehörigkeit zu diesem erlesenen Zirkel hatte ich Ausweise hergestellt, mit denen die Clubmitglieder unmissverständlich belegen konnten, dass sie richtig gemein waren. Auch das imponierte den Hosen. Campino wollte sehr gerne Mitglied im Club der Gemeinen werden. Ich stellte ihm die Zugehörigkeit für den kommenden Abend in Aussicht, aber erst müsste er noch beweisen, wie gemein er wirklich sei. Die Hosen bezahlten das Essen, und ich schraubte alle Salzstreuer auf. Dann gingen wir zum Veranstaltungsort, wo das Konzert stattfinden sollte. Es war ein sehr großer Raum auf einem Hinterhof, in den bestimmt tausend Leute passten. Vor den Hosen spielten noch zwei Vorbands, dann kamen sie selber an die Reihe. Das Konzert war unbändig wild, die Leute drehten komplett durch, ein einziger zuckender Fleischklops füllte die Halle. Total aufgedreht kam Campino nach dem Konzert von der Bühne, und wir battelten uns erst mal gegenseitig an, wer der Gemeinere sei und wer mehr Schnaps vertragen könne. Schorsch erzählte Campino, dass Fliegevogel und ich eine Band seien und dass wir supercoole Songs hätten. Campino bot uns sofort an, die Bühne zu entern und auf ihren Instrumenten zu spielen. Ein Großteil des Publikums war noch im Saal. Ich konnte es gar nicht glauben, wir Dorfpunks, hier in Berlin, auf einer Bühne mit den Hosen, vor großem Publikum, mit unseren Songs, von denen viele sagten, dass sie genial seien. Was für eine Chance! Begeistert zog ich Fliegevogel in Richtung Bühne, merkte allerdings aufgrund seiner verzögerten Reaktionen jetzt schon, dass er wohl größere Mengen Alkohol intus hatte. Ich machte mir keine Gedanken darüber und sprang auf die Bühne. Fliegevogel hängte sich Breitis Gitarre um, und ich ging ans Mikrophon, um uns anzukündigen.
    «Hallo, Leute, wir sind die Toten

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