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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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lässt man die Insignien dann nicht für den Notfall in der Hauptstadt?«
    »Zum einen werden sie dort hoffentlich nie wieder benötigt. Zum anderen gehören sie nicht dorthin. Die Krone ist den Harjennern überlassen worden, das Schwert hat über viele Umwege nach Falkenberg in den Besitz meiner Familie gefunden. Wer weiß, vielleicht hat König Aan es meinen Vorfahren sogar selbst überantwortet? Aber letztlich gehören Krone und Schwert nicht mehr rechtmäßig in die Hauptstadt – was sollte man auch dort mit ihnen?«
    »Hm«, machte Hinck. »Und was ist nun mit Gamar?«
    »Nichts weiter. Die Herrscher der Fürstentümer kamen erneut in der Hauptstadt zusammen. Nach zähen Tagen voller Verhandlungen in Anselieth wurde die ganze Geschichte geklärt. Ich weiß immer noch nicht, mit welchem finsteren Zauber Linus Delan von Gramenfeld umgebracht hatte. Aber es war in diesem Augenblick der perfekte Hebel gewesen, um die gesamte Maschinerie von aufgestauter Missgunst im Reich in Bewegung zu setzen.
    Strafen wurden keine verhängt. Es hatten schon viel zu viele Bewohner des Reiches in diesem Konflikt ihr Leben gelassen. Stattdessen legten alle Herrscher des Reiches erneut einen Eid auf die niedergeschriebenen Gesetze ab und darauf, die Ordnung des Reiches künftig nie wieder infrage zu stellen. Außerdem verpflichteten wir uns, in den nächsten Monaten vielerorts Mahnmale zu errichten.
    Natürlich hat Serion all das sehr zerknirscht. Doch trotz aller angesammelten Wut und allen fehlgeleiteten Stolzes im Innern, ist er trotzdem manchmal ein verständiger Mann. Auch er muss schließlich ein Volk regieren – und letztlich auch seine eigenen Interessen von Zeit zu Zeit dahinter zurückstellen.«
    Hinck nickte. Er hatte verstanden. Das, was Deckard von Falkenberg da erzählte, klang nach einer recht gescheiten und vernünftigen Lösung. Aber es interessierten ihn noch mehr Dinge.
    »Ist dieser Anhänger dort derjenige, den Lia getragen hat?«, fragte er zögerlich und deutete auf Deckards Hals.
    »Ja«, meinte der Graf und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, tippte er sich mit dem Zeigefinger an die Narbe, die sich über Augenbraue und Wange zog. »Und dies ist Schekichs Schwertstreich im Palast der Dämmerung gewesen. Wenn ich lache, zieht es in der Haut darum herum und erinnert mich stets daran, wie viel Glück ich in den letzten Monaten hatte, um trotz allem noch hier stehen zu können.«
    Dann fasste Hinck allen Mut zusammen und stellte die letzte, entscheidende Frage. Er befand, dass jetzt der Zeitpunkt dafür gekommen war. Und eine Antwort hatte er bisher nicht: »Und worauf wartest du nun hier?«
    Da beugte sich Deckard von Falkenberg vor und flüsterte es Hinck ins Ohr. Der Wirtsjunge bekam große Augen.
    »Verstehst du nun, warum ich lieber nicht möchte, dass jemand weiß, warum ich hier bin?«
    Eifrig nickte Hinck. Ja, jetzt hatte er verstanden, worauf der Graf hier wartete. Jetzt machte all das hier auf einmal Sinn.
    Es war der frühe Morgen des übernächsten Tages. Ein Herbststurm hatte nachts über das Fischerdorf hinweggefegt und die Fensterläden klappern lassen. Die Dunkelheit hob sich mit jedem Tag später von der Welt.
    Noch vor dem Morgengrauen klopfte es an Deckards Tür. Der Markgraf schreckte aus einem seichten Schlaf hoch und griff aus purem Reflex zum Griff von Erlenfang.
    »Ja?«, ließ er vernehmen.
    Die Klinke wurde heruntergedrückt und Hinck betrat die Kammer.
    »Es ist soweit«, flüsterte der Junge mit einem verstohlenen Grinsen auf dem Gesicht. »Ich habe deinen Fjordfalben reisefertig gemacht. Er befindet sich im Stall. Sanfte Wege, Herr Deckard. Lebe wohl und … Danke!«
    Deckard nickte ihm freundlich zu, stand auf und straffte sich, um die Müdigkeit aus seinen Gelenken zu vertreiben.
    »Hab ebenfalls Dank, Hinck, treuer Wirtsjunge! Und sanfte Wege!«
    »Sanfte Wege!«, flüsterte Hinck. Dann trat er zurück und verschwand. Zurück ließ er eine große, schlanke Gestalt, gehüllt in einen schweren, dunklen Umhang. Sie trat zwei Schritt vor in die kleine Kammer und schlug die Kapuze zurück, die sie tief ins Gesicht gezogen hatte.
    Langes, goldenes Haar fiel an ihr herunter. Der wachsame Blick aus smaragdgrünen Augen durchschnitt das dämmrige Licht im Raum.
    Deckard ging auf die Königin zu und küsste sie leidenschaftlich.
    »Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagte er.
    Und auf Ellyn von Gamars Gesicht zeichnete sich ein glückliches

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