Dorn: Roman (German Edition)
mich zur Rede zu stellen.
Doch die Antwort auf seine Frage kam nicht von mir, sondern von einer grollenden, tiefen Stimme in meinem Rücken.
»Die Insignien«, hörte ich es und wandte mich um. Dort stand Linus, boshaft grinsend wie eh und je. Aus seinem androgynen Antlitz starrten mir seine giftgrünen Augen entgegen. Er trug eine dunkle und sehr schlanke Bänderrüstung, die dem grazilen Äußeren des Elbenprinzen Rechnung trug.
»In dem Köcher auf deinem Rücken befindet sich das Szepter, richtig?«, mutmaßte er finster. Seine Stimme war trotz ihrer geringen Lautstärke für jeden hier gut zu vernehmen. Unweit von mir gefror Lia zu einer Eisskulptur. »Du hast es weit gebracht und viel unternommen, um mich aufzuhalten.«
»Noch bin ich am Leben«, zischte ich. »Und mit jedem Atemzug den ich tue, werde ich weiter am Bestehen des Ehernen Reiches festhalten.«
»Du bist ein Verräter!«, schrie Serion von seinem Banner her. »Das Reich wäre besser dran, wenn du nie begonnen hättest, Einfluss darauf zu nehmen.«
»Nenn’ mich, wie du willst, Serion! Und stell meine Absichten meinetwegen infrage!«, gab ich zurück. »Aber siehst du nicht, wie die Harjenner unter deinen Leuten wüten?«
Ich wies auf die Bresche, die König Fjelding in Begriff war von Norden her zum Duain Lar zu schlagen. »Ich muss nur so lange überleben, bis der König der Nordleute hier ist.«
»Um die Insignien zusammenzuführen«, folgerte Linus scharf. »Ihr seid zahlenmäßig in der Unterzahl. Trotzdem wagt ihr diesen Ausfall, um die Harjenner hier draußen nicht den Tod der Tapferen sterben zu lassen. Auch mit der Unterstützung des Seenlandes wäre das ein großes Wagnis. Das hier muss also einem anderen Zweck dienen als der Vernichtung der Truppen Gamars.«
Ein Schauer überlief mich. War es für Linus so leicht zu durchschauen, was ich hier tat? Worauf ich hoffte?
»Du warst in der grünen Bibliothek und hast dort den Brief des Magiers Mundus gelesen, habe ich Recht?«, fuhr Linus fort, kalt wie der Nordwind. »Und nun willst du mit einem verzweifelten Kommando die Insignien König Aans zusammenführen und hoffst, es würde dein Reich auf geheimnisvolle Weise vor dem Untergang bewahren.
Ein wirklich respektabler Plan, Deckard von Falkenberg.«
Dann verbreiterte sich sein Grinsen. »Aber was ist, wenn ich dir sage, dass ich den Zauber des königlichen Magiers schon vor langer Zeit unwirksam gemacht habe? Du erinnerst dich? Ich hatte während des Konklaves eine Menge Zeit.«
Er bluffte. Er log mir ins Gesicht, ohne mit der Wimper zu zucken. Es musste so sein! Ich konnte nicht hier stehen, mit nichts in der Hand als leerer Hoffnung. Ein seltsamer Zorn, der aus Panik geboren wurde, erfüllte mich.
»Diese Schlacht wendet sich zu unseren Gunsten«, schrie ich.
»Das glaube ich nicht«, konterte Serion und zog sein Schwert. »Und selbst wenn, dann wird es dich nicht mehr kümmern. Denn jetzt ist das Ende des Hauses von Falkenberg gekommen.«
Er gebot seinen Gardisten, nicht einzugreifen, zog sein Schwert Briskan und stapfte auf mich los.
Komm schon! , dachte ich, wild vor Verzweiflung. Komm schon! Serion würde keine drei Streiche gegen mich führen können, ohne verblutend zu Boden zu gehen. Aber wenn er das Duell wollte, sollte er es kriegen. Noch bevor Serion sein Schwert vollends erhoben hatte, sprang ich mit aller Kraft vorwärts und rammte ihn mit dem vollen Gewicht meiner Rüstung zu Boden. Dieser Narr! Es gab nichts mehr zu verlieren für mich. Was sollte mir da ausgerechnet Serion von Gamar im Duell Mann gegen Mann antun können?
Drohend richtete ich Erlenfang am ausgestreckten Arm mit der Spitze auf den Markgrafen von Gamar, der stöhnend auf dem Rücken lag. »Und wenn du noch so viele Männer und Frauen in den Krieg führst, Serion: Du kannst unmöglich so ignorant sein, dich mit mir eins gegen eins messen zu wollen.«
Mit einem Schrei wollte sich Timerion auf mich stürzen, doch ich schritt näher an seinen Vater heran und setzte ihm Erlenfangs Klinge in die Nahtstelle zwischen Brustpanzer und Helm. Timerion von Gamar stoppte ab und vernichtete mich mit einem Blick voll Hass.
Timerions wilder Gesichtsausdruck traf mich im Mark. Er sah seiner Schwester so ähnlich, nur dass er einen Schatten vom Bartwuchs im Gesicht trug und sein Haar schwarz wie die Nacht war. Wie ein seichtes Lied zum Ende des Tages, fiel mir ein, worum Ellyn mich gebeten hatte: Sei du es nicht!
Ein harter Schlag traf mich an der Schulter
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