Dornen der Leidenschaft
gesehen. Interessiert es Sie nicht? Kellner! Noch eine Flasche für meinen Freund.«
Obwohl sich der Fremde sehr zusammennahm, bemerkte Paul, daß der Mann jetzt hochgradig erregt war. In seinen Augen loderte ein solcher Haß, wie ihn der Holländer noch bei keinem Menschen gesehen hatte. Paul witterte, daß er ein gutes Geschäft machen könnte, lehnte sich zurück und entschloß sich, den Fremden weiter anzuhören.
»Verzeihen Sie mir, Señor«, begann der Mann wieder, »ich habe mich Ihnen noch nicht einmal vorgestellt. Ich bin Don Juan Rodolfo de Zaragoza y Aguilar, Marqués de Llavero, aus Spanien. Und Sie, Señor?«
»Ich bin Paul Van Klaas, von Capricho.«
»Sehr erfreut, Señor. Sie müssen mein merkwürdiges Verhalten entschuldigen, aber die Neuigkeit hat mich sehr überrascht … Ay caramba! Nach einer so langen Suche zu erfahren, daß meine Verlobte jetzt mit einem anderen verheiratet ist! Wer ist dieser Mann, der mir Doña Aurora gestohlen hat?«
»Er nennt sich Visconde Poniente, Don Salvador Rodriguez y Aguilar.«
»Nein!« brüllte Juan. »Das geht zu weit! Das kann ich nicht ertragen! Heridas de Cristo! Dieses Schwein hat Aurora geheiratet. Ich werde ihn töten.«
Da der Holländer genau dasselbe vorhatte, war er über die Worte des Marqués alles andere als entsetzt.
»Kennen Sie Don Salvador, Señor?« fragte er sehr interessiert.
»Ihn kennen!« rief Juan aus. »Er ist mein Halbbruder, und einen schlechteren Menschen hat die Sonne nie gesehen! Dieser bastardo wird in Spanien wegen Mordes und Hochverrats gesucht, und ich bin seit der Nacht hinter ihm her, in der er meinen Vater getötet hat.«
Bei diesen Worten glänzten Pauls Augen triumphierend auf. Endlich hatte er einen Weg gefunden, den Visconde loszuwerden, damit er in aller Ruhe nach dem Schatz von Esplendor suchen konnte.
»Trinken Sie noch einen, Señor«, schlug er dem Marqués vor, schob die Flasche über den Tisch und grinste den Spanier wölfisch an. »Ich glaube, daß diese Unterhaltung für uns beide tatsächlich sehr interessant ausfallen wird.«
36. KAPITEL
Aurora summte glücklich vor sich hin, als sie das Bettzeug in die Wiege legte, die Salvador für ihr ungeborenes Kind gebaut hatte. Mario hatte ihnen Briefe von ihren Eltern und der Mutter des Visconde gebracht. Die Montalbáns und die Yerbabuenas waren glücklich darüber, daß Aurora und Salvador geheiratet hatten. Beide Familien schrieben, daß es besser gar nicht hätte kommen können, da sie sich im gemeinsamen Kampf gegen Juan inzwischen sehr gut befreundet hatten.
Die spannendste Neuigkeit aber war die, daß die Montalbáns und die Yerbabuenas zu Besuch nach Esplendor kommen wollten.
»Stell dir nur vor, Salvador«, rief Aurora und strahlte, »unsere beiden Mütter werden bei der Geburt unseres Kindes hier sein. Wir müssen ihnen nur gleich schreiben. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich darüber freuen würde, sie hier zu haben. Ich fürchte mich ein wenig vor der Geburt. Lupe hat auch keine Erfahrungen. Unsere beiden Mütter können mir bestimmt gut helfen, mir sagen, was ich machen muß, und mir meine Angst nehmen – nicht, daß du das nicht könntest, mein liebster Mann, aber …«
»Ich verstehe dich gut. Du hast Lupe und Heidi zwar sehr gern, aber sie gehören eben nicht zur Familie.«
» Sí .« Aurora seufzte und lächelte ihren Mann dann liebevoll an. »Genauso ist es. Wie gut du mich kennst, mi corazón. Ich bin der glücklichste Mensch der Welt, weil ich deine Frau bin.«
Diese Worte versetzten Salvador kurz einen Stich. Er hatte sich immer noch nicht ganz von der Vorstellung befreien können, daß er verflucht sein könnte. In einem Augenblick der Schwäche hatte er Aurora seine Liebe gestanden. Jetzt war sie blind. Er wachte Tag und Nacht über sie, weil er befürchtete, daß ihr etwas noch Schlimmeres zustoßen und er sie verlieren könnte, wie er so viele andere in der Vergangenheit verloren hatte. Er befürchtete, daß etwas Entsetzliches ihre kostbare, wunderbare Liebe zerstören könnte.
Es war an Lupes Hochzeitstag. Während der ganzen Woche hatten die Frauen für das Fest gekocht und das Haus auf Hochglanz geputzt. Und die Männer hatten lange Picknicktische und Bänke gezimmert und ein großes Zelt im Garten aufgestellt. In Esplendor wurde viel gelacht und viel gearbeitet. Das Haus war wirklich zu neuem Leben erwacht.
Aurora saß ruhig in einem Raum im oberen Stockwerk und hörte dem fröhlichen Geplapper der
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