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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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paradoxerweise weicher werden ließen, anstatt mich zu blenden, dazwischen Kirchen, ebenfalls weiß, mit blauen Dachkuppeln und im Wind taumelnden Glocken.
    Mein Kiefer knackte, als ich mich gähnend über eine Mauer beugte, um hinabzusehen. Das Meer lag weit unter mir, Hunderte von Metern, es war zu weit weg, doch ich musste zu ihm. Bevor ich irgendetwas unternahm, musste ich schwimmen, untertauchen, mich mit Wasser umgeben. Es war sowieso irrsinnig, allein nach dem Anrufer zu suchen. Ich verwarf mein Vorhaben wieder, fand es erneut idiotisch und unreif. Ohne Angelo konnte ich den Anrufer nicht suchen, das durfte ich nicht. Ich musste im Meer baden, mich abkühlen und wach werden, anschließend würde ich Angelo kontaktieren, dann auf ihn warten. Aber erst musste ich baden. Wie kam ich ans Meer?
    Weil ich mich nicht mehr aus eigener Kraft orientieren konnte, folgte ich einem Mann mit einem Esel, der in eine verwinkelte Seitengasse abbog, irgendwo musste es einen Weg zum Meer geben, auch wenn die Küste noch so steil war. Ich brauchte nicht lange, um den Pfad zu finden, der Mann mit dem Esel leitete mich dorthin. Im Zickzack ging es hinunter, breite, unregelmäßige Stufen zwischen bröckelnden Mauern und grobem schwarzbraunem Fels. Den Eselstreiber hatte ich bald hinter mir gelassen, das Wasser rückte näher, Schritt für Schritt. Doch einen Strand gab es nicht; ich sah es von Weitem. Die Wellen klatschten direkt gegen die Steine, Steine auch unter Wasser und die See so bewegt, dass es gefährlich war, hier zu schwimmen. Ich lief trotzdem weiter, vielleicht fand ich eine abgelegene, flache Stelle zum Baden, denn das Bewegen an Land fiel mir immer schwerer.
    Am Fuße der Treppen saßen ein paar Touristen, die schwitzend filmten; dabei gab es nichts zu sehen außer Meer und Steinen. Ich wandte mich nach rechts und stellte rasch fest, dass ich klettern musste, um weitergehen zu können. Meine Kraft schwand. Bei fast jedem Schritt rutschte ich ab und schlug mir die Knie auf, meine Hände begannen zu bluten, doch ich arbeitete mich verbissen weiter vor, es musste einen Strand geben, einen klitzekleinen Strand, auf dem ich mich in der letzten Sonne des Tages ausstrecken und träumen konnte, von Angelo, damit er mich witterte und suchte, er würde mich suchen und finden, ich musste träumen …
    Beim nächsten Felsbrocken verfing sich meine Tasche an einem scharfkantigen Steinvorsprung und riss mich zur Seite. Im letzten Moment verhinderte meine linke Hand den Sturz in eine Spalte, zwischen deren schwarz glänzenden Wänden das Meer gurgelte, doch mein Gesicht prallte hart auf den von tausend Stürmen zerborstenen Fels. Blut lief über meine erhitzten Wangen.
    Ich blieb liegen, um Atem zu schöpfen und neue Kraft zu sammeln, und auf einmal hörte ich es: ein gleichmäßiges, ruhiges Brandungsrauschen, das es nur an einem seicht abfallenden Strand geben konnte, kein nervöses, unregelmäßiges Klatschen des Wassers gegen Basaltbrocken.
    Umständlich löste ich die Tasche von dem Steinvorsprung, über den sie sich gewickelt hatte, und stemmte mich wie ein Seehund hoch, um erneut zu lauschen. Ich täuschte mich nicht. Das Brandungsrauschen war da und es rief mich eindringlich, ich musste weiterklettern, egal, wie zerschunden meine Haut und meine Knochen auch waren. Das Salz des Meeres würde die Wunden wieder heilen.
    Als das Rauschen so nahe kam, dass es beinahe das Plätschern zwischen den Felsen übertönte, konnte ich nur noch kriechen. Jede weitere Erhebung trieb mir den kalten Schweiß auf die Stirn, mein Magen revoltierte und meine Muskeln zuckten, als würden meine Arme und Beine ausgepeitscht werden.
    Ich schrie lautlos auf, als ich den nächsten Fels umrundete und immer noch kein Strand in Sicht war, ich musste akustische Halluzinationen haben, ich hörte das Rauschen deutlich und klar, aber es kam von links, aus den Felsen, nicht vom Meer, und das konnte nicht sein … Felsen konnten nicht rauschen. Trotzdem ließ ich mich von dem Steinbrocken, auf dem ich mich gerade befand, blindlings herunterrollen und landete auf einer kleinen Mauer – eine Art Trampelpfad, der in die Steilküste gehauen worden war, gut versteckt und nur für jene sichtbar, die ihn kannten. Ich legte mich bäuchlings auf ihn und robbte vorwärts, indem ich mit den gestreckten Armen um die Kanten des Mäuerchens griff und meinen Körper nachzog, bis plötzlich ein dunkler Schatten auf mein Gesicht fiel. Ich hielt inne.
    Ja, es war dunkel

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