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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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sich ganz hinten, ohne Nebenmann. Vor mir schnatterten sie über die Zukunft, der Urlaub nur eine Zwischensequenz, die sie schnell wieder vergessen haben würden, danach Kind, Traumhaus, Tod. Die Frau lachte, aber sie hatte Angst, ich hörte es, sie hatte Angst wie ich, Angst, ihre Chance verpasst zu haben. Nur war meine Chance ungleich größer gewesen.
    Zweifel gehörten dazu, hatte er gesagt, womöglich waren es nur die Zweifel, die mir die Sinne raubten, und alles ein Plan; ja, es war richtig, nach Santorin zu fliegen, es fühlte sich nur nicht so an.
    War es richtig?
    Ich kannte mich selbst nicht mehr.
    Anderthalb Stunden später der Landeanflug. Das Schwarz vor meinen Augen war gewichen, während ich apathisch auf meinem Sitz verharrt hatte. Ich konnte durch das kleine Fenster hinab auf das Meer blicken, dem ich endlich wieder näher kam, Gott sei Dank. Wir nahmen Kurs auf eine karge dunkelbraune Insel mit weißen Dörfern, die an ihren Steilküsten klebten, sie sahen aus wie frisch gefallener Schnee; im ersten Moment dachte ich sogar, es sei Schnee. Der Flieger legte sich schräg, bis vor uns eine aberwitzig kurze Landebahn direkt neben dem Meer auftauchte, abgetrennt nur durch einen Maschendrahtzaun. Doch dann traf uns eine Böe, seitlich, sie schüttelte uns durch, irgendwo fiel ein Gepäckstück aus den Klappen, das Flugzeug nahm wieder Fahrt auf und jagte mit brüllenden Motoren nach oben.
    »No danger at all.« Die Stewardessen lächelten bemüht, saßen aber blass und steif in ihren Sitzen, angeschnallt.
    Neuer Versuch.
    Ich hasste das panische Schweigen um uns herum, Schweigen, obwohl jeder kreischen und heulen wollte, sie alle hatten Todesangst, sogar ich, ein lange antrainiertes Verhaltensmuster meines Körpers. Ich hätte ihn dafür prügeln können, dafür und weil er es richtig machte, ich war sterblich, wie die anderen hier, noch war ich es.
    So schrie auch ich auf, plötzlich wieder hellwach und im Chor mit all den Verliebten, als die Räder der Maschine polternd auf der Landebahn ins Schleudern gerieten, sich aber sofort wieder fingen, »No danger at all«, dann zog der Pilot die Bremsen, kein Rauch, keine Flammen, nur ein unsanftes, schlingerndes Halten zu weit hinten auf der Bahn, was aber kein Problem war. Alles unter Kontrolle.
    Ich war die Erste, die sich erhob und an die Tür stellte; die anderen klebten noch reglos an ihren Lehnen, ihre Münder dümmlich geöffnet. Nachher würden sie sich gegenseitig von ihrem Abenteuer erzählen und sich toll dabei finden, obwohl sie insgeheim schon den Rückflug fürchteten und sich wünschten, diese Reise nie gebucht zu haben. Ich beeilte mich, bevor ich wieder müde werden konnte.
    Der Flughafen war klein; nur eine große Halle, zweistöckig. Keine Schlange am Einreiseschalter, sie winkten mich durch, ohne Notiz von mir zu nehmen. Draußen Wind und trockene Hitze. Ich fand sie erfrischend. Vorbei an den Bussen der Touristen und uniformierten Reisebegleitern, die mit ihren Fähnchen in der Abendsonne standen, bis ich die Taxis erreichte. Ich hatte während des Fluges in einem Prospekt über die Insel geblättert, das im Netz des Sitzes geklemmt hatte, und darin gelesen – eine Sisyphosarbeit, weil meine ausgetrockneten Augen von den eng gedruckten Zeilen abrutschten und sich verirrten. Ich musste wie ein Erstklässler meinen Finger unter den Buchstaben entlangfahren lassen, doch ich verstand genug, um zu wissen, dass ich an die Nordspitze der Insel gelangen musste. Nach Oia.
    Oia war laut Prospekt eine kleine Künstlerstadt, eher ruhig und verträumt, aber beliebtes Ausflugsziel für die Touristen und Kreuzfahrer, die stundenweise in Scharen über die Gassen herfielen, dazu ein Ort der Verliebten, meistens Hochzeitsreisende – ein ideales Jagdrevier, an dem es ständig frische Nahrung gab und trotzdem genügend Abgeschiedenheit herrschte, um sich vor den Menschen zu verbergen. Wenn es richtig war hierherzureisen, weil es der Sache diente, dann würde ich den Anrufer dort finden. Ich musste ihn dort finden.
    Aber wo in Oia – wo genau? Da ich kein Hotel hatte, ließ mich der Taxifahrer am Ortseingang aussteigen, Autos waren ab hier verboten, die Gässchen ohnehin zu schmal dafür. Ich hatte keinen Sinn und keine Zeit für die Schönheiten des Städtchens, vor denen die Touristen fotografierend stehen blieben und mir den Weg versperrten, ja, es war ganz hübsch, bunt getünchte Mauern zwischen weißen Häusern, die das klare, helle Licht

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