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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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weiblich.
    Das Kichern stieg in mir auf, als ich an meine vage Überlegung während seines Anrufs dachte – nämlich Giannas Männerabwehrspruch zu zitieren. Ich hatte ihn instinktiv als unpassend empfunden und mir verkniffen, und oh ja, er war unpassend. Ich ließ das Brot fallen und presste die Hand auf meinen Mund, um den aufsteigenden Lachanfall zu unterdrücken, doch es war schon zu spät. Was ich mir hier zusammenreimte, war nicht einmal besonders witzig, das wusste ich, es war platt und obszön, doch meinen Bauch kümmerte das nicht. Mein Zwerchfell begann sich rhythmisch zusammenzuziehen und meine Hand konnte nicht verhindern, dass das Lachen sich seinen Weg bahnte, gnadenlos wie immer, wenn es sich selbstständig machte; nichts konnte sich dann noch dagegenstellen, ich war machtlos.
    Doch das Wesen erfreute sich mit einem stillen, feinen Lächeln an meinem unreifen Heiterkeitsausbruch, als wüsste es ganz genau, worüber ich nachdachte und was ich so komisch an ihm fand. Dabei fand ich es eigentlich gar nicht komisch. Ich fand es sogar schön. Während des Lachens löste sich Schleim in meiner Kehle. Hustend und mit Tränen in den Augen rang ich um Beherrschung. Erst nach Minuten gelang es mir, mich zu mäßigen. Mein Bauch schmerzte so sehr, dass ich mich kurz nach vorne beugen musste. Ausgedehntes Gelächter hatte ich noch nie gut vertragen. Doch das Freihusten hatte es mir möglich gemacht, meine Stimme zu benutzen.
    »Was … wer … wer bist du?«
    Eigentlich verbot mir mein Respekt, das Wesen zu duzen, ohne vorher zu fragen, ob ich das durfte. Andererseits hatte ich in seinem Schoß geschlafen, und wenn ich es nun siezte, würde das diese Angelegenheit sehr befremdlich werden lassen. Ich konnte niemanden siezen, in dessen Armen ich mich vergessen hatte.
    »Mann oder Frau?«, erklang seine Stimme in meinem Kopf, während es mich ruhig anlächelte. »Beides.«
    »Ja, das sehe ich«, erwiderte ich trocken und hob das Brot wieder auf. »Ich meine eher … war es schon immer so? Oder …?«
    »Ich war ein Mann mit dem Herzen einer Frau, als die Nymphe kam und mich zu sich ziehen wollte, in einem Teich, in dem ich badete. Ich wehrte mich, doch sie war stärker, schlang ihren nackten Leib um mich, bis ich mich nicht mehr von ihr befreien konnte, und so wurde ich ein Teil von ihr. Seitdem bin ich ein Hermaphrodit.«
    Er sprach von der Metamorphose, anders konnte es nicht sein. Eine Mahrin hatte ihn verwandelt, doch er hatte es nicht gewollt, hatte gekämpft und sich widersetzt und letztlich doch verloren. Hermaphrodit – das klang so viel geheimnisvoller und melodischer als Zwitter. Nun konnte ich besser damit umgehen.
    »Wann war das?«
    »Vor mehr als zweitausend Jahren.«
    Ich hörte auf zu essen und rückte ein Stückchen von ihm ab. Vor mehr als zweitausend Jahren? Dieses Wesen war seit mehr als zweitausend Jahren auf der Welt und lebte in dieser kahlen Höhle in der Felsküste von Santorin, um sich nachts nach oben in die Stadt zu schleichen und zu rauben?
    Mir kamen die Worte in den Sinn, die es gestern zu mir gesagt hatte: Hilf mir, mein Kind. Hilf mir. Warum sollte jemand wie dieser Mahr Hilfe benötigen? Er musste gigantische Kräfte haben, auch wenn man ihm das auf den ersten Blick nicht ansah. In seinen wenigen Gesten wirkte er eher weich und nachgiebig. Trotzdem, nichts, was er tat, war zufällig, er beherrschte jede Muskelfaser seines Körpers. Er konnte mich mit einer minimalen Bewegung nehmen und am Felsen zerschmettern, wenn er wollte. Er musste ja nicht einmal seinen Kiefer bewegen, um mit mir zu sprechen, bisher hatte er seinen Mund nicht ein einziges Mal geöffnet. Vielleicht waren Bewegungen gar nicht nötig, um mich zu töten … oder um mich zu verwandeln?
    Denn dieser Mahr musste etwas mit Angelos und meinen Überlegungen zu tun haben, er war unfassbar alt, wahrscheinlich hatte er die Entscheidungsmacht über alle anderen Mahre da draußen, auch über Angelo … Ob ich ihn bitten konnte, Angelo zu uns zu holen?
    »Ich möchte etwas mit dir tun, was es dir leichter macht, es zu ertragen«, unterbrachen seine Worte das gleichmäßige Rauschen. »Damit es dir nicht wehtut.«
    Es zu ertragen – was zu ertragen? Was sollte ich ertragen, was würde mir wehtun? Die Metamorphose? War sie doch so schmerzhaft, dass ich eine solche Maßnahme benötigen würde? Ich erstarrte beinahe, als mein Gedächtnis mich kühl darauf aufmerksam machte, dass ich ähnliche Worte schon einmal gehört

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