Dornenkuss - Roman
Terroristin!, und sei meiner Aufgabe nicht gewachsen, ich sei ja völlig hysterisch, doch der Mann neben mir brachte sie zur Räson. Es sei wahrscheinlich nur ein Anfall von Flugangst, sie sollten sich wieder setzen. Auch die Stewardess bat sie, Platz zu nehmen. Fasten your seatbelts, please.
»Liebeskummer«, stammelte ich zitternd, weil ich wollte, dass die Köpfe wieder hinter den Sitzlehnen verschwanden. Ihre Blicke glühten auf meiner Haut. »Nur Liebeskummer.«
Der Mann organisierte mir einen Tomatensaft, den ich nicht trank, ich nippte nur daran, um ihm einen Gefallen zu tun. Ich konnte nichts trinken, meine Kehle war so trocken, dass mein Schluckreflex aussetzte. Ich atmete mit offenem Mund.
Nachmittags Landung in Rom, planmäßig, man stieg aus und kümmerte sich um sein Gepäck. Ich hatte keins, nur meine Tasche über dem Arm mit der Unterwäsche und meinen Papieren, sonst nichts. Ich wusste nicht, wohin mit mir. Zu viele Schilder, Stimmen, Hinweise, zu viel Lärm. Ich konnte nicht mehr gerade laufen, stieß mit den Knien und Schienbeinen gegen Koffer, Sitzbänke und Gepäckbänder, vor denen die Menschen standen und warteten, konzentriert und mit gebanntem Blick, als würde ihnen das große Los verkündet.
Ich schwankte zu meinem Schalter, wo ich mich zu erkennen geben musste, um die nächste Maschine nehmen zu können. Ich wollte nicht weiterfliegen, aber raus aus den Massen, die sich durch die Gänge schoben. Deshalb tat ich so, als ob, ich würde die Erste in der Wartezone sein und Raum für mich haben. Als die Dame meine Papiere und das Ticket prüfte, wurde mir schwarz vor Augen, schon wieder, doch ich hielt mit starrem Lächeln durch, nahm die Unterlagen entgegen und steckte das Ticket in meine hintere Hosentasche. Die Tasche auf meiner Schulter zog mich zu Boden, tonnenschwer, obwohl nichts drin war außer ein paar Slips und einem Hemdchen. Ich schleppte sie mit in die Toilette, wo ich bleiben wollte, bis ich wieder etwas sehen konnte; dann würde ich umbuchen, zurück nach Hause fliegen und auf Angelo warten, in seinem Haus mit dem Pool. Träumend. Ruhend. Frei. So, wie ich es hätte tun sollen, wie hatte ich nur so dreist sein können, mich von ihm zu entfernen, ohne mit ihm darüber zu sprechen? Ich hatte das Band zwischen uns zerrissen, im schlimmsten Falle für immer …
Das Wasser musste mich wach halten und mir mein Augenlicht zurückgeben, doch ich hatte nicht verstanden, dass man die Leitungen über den Becken gar nicht aufdrehen musste, und suchte verzweifelt nach einem Hahn, bis es zufällig zu laufen begann, weil es meine hektischen Bewegungen spürte, ein armseliger Strahl, der nach Sekunden wieder versiegte. Jetzt stand ich hier und hielt mein Gesicht darunter, immer und immer wieder, damit der Schwindel hinter meinen Augen sich legte und ich etwas sehen konnte … Alles um mich herum musste ich nur erahnen und erfühlen, ich sah die Welt nicht mehr. Ich war blind.
»This is our last call. Flight number 358 to Santorini, Greece. Plane is ready to depart. Ms Sturm, please come to the information desk. This is our last call.«
Ich realisierte nicht sofort, dass sie mich meinten, aber der Aufruf galt mir, ich war Ms Sturm, die Stimme sprach meinen Namen englisch aus, Ms Störm, ohne sch und ohne u, wie hätte ich darauf kommen sollen, dass ich gemeint war? Es klang nicht nach mir.
Meine Stirn schlug gegen die Keramik, als ich aufstehen wollte und meine Beine sich in einem neuerlichen Krampf verdrehten. Meine Wade schlotterte, nur die rechte, doch laufen konnte ich so nicht, nicht einmal bis hinüber zur Toilettenkabine, wo ich mich einsperren und verstecken wollte vor ihren Rufen.
Sie sollten aufhören, mich zu rufen.
»Ms Sturm? There you are!« Es war die Frau vom Schalter, ich erkannte sie an ihrem süßen Parfum, sie war mir gefolgt, in die Toilette, das durfte sie nicht! Es war privat, es ging sie nichts an. Ich sagte etwas zu ihr, ohne mich selbst zu verstehen, eine flache Entschuldigung, dann liefen meine Beine wieder, Gleichschritt nach draußen, wo ein Stewart bereits mit strenger Miene an der Schranke wartete und mich in den Tunnel winkte. »Hurry up.«
Ich torkelte den schmalen Gang entlang und ließ mich vom Bauch des Fliegers verschlucken, überall Paare und Verliebte, kaum Kinder oder alte Menschen. Es herrschte ausgelassene Urlaubsstimmung, jeder labte sich an der Vorfreude des anderen, mich übersahen sie, ich würde sie nur darin stören.
Mein Platz befand
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