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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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flackerten grellrote Flammen durch das Dickicht, kleine, begrenzte Brandherde, die sich rasant ausbreiten konnten, sobald der Wind auflebte. Sie selbst erzeugten bereits heiße, rußige Böen, deren erstickender Atem die Frontscheibe des Wagens mit einem schmierigen Film überzog und meine Augen biss.
    Nach der nächsten Kurve verlor ich die Kontrolle. Der Wagen wurde durch ein weiteres Schlagloch in die Höhe gewuchtet und kippte röhrend seitwärts, bis das Metall der Karosserie mit einem schrillen Kreischen über den Asphalt schlitterte. Ich hob schützend die Hände vors Gesicht, mehr konnte ich nicht tun. Angst hatte ich keine. Kurz vor dem Abhang kam der Wagen in letzter Sekunde zum Liegen. Hustend trat ich die zerbrochene Frontscheibe ein und kletterte nach draußen; wie durch ein Wunder war ich bis auf eine Beule an meiner Schläfe unverletzt geblieben.
    Noch immer heulte der Motor und die Reifen drehten sich, dazu erhob sich das Singen des Feuers links und rechts neben mir, untermalt von dem finsteren Tosen der Hitze in den Wipfeln der Tannen – ein schauriges Konzert, in das ich rufend einstimmen wollte. Ja, ich würde Colin rufen, das hatte ich mir fest vorgenommen, doch ich musste so sehr husten, dass meine Stimme jedes Mal versagte, wenn ich sie benutzen wollte. Ich schrie stumm, allerhöchstens keuchend und stöhnend.
    Tränen rannen über mein schmutziges Gesicht, als ich in den brennenden Wald hineinstapfte und versuchte, Colin zu orten, obwohl meine Sehnsucht einen anderen Weg wählen wollte, weg von hier, weg von mir selbst und all meinen dunklen, schweren Seelentiefen, hinunter ans Meer, in die Sonne – in das Licht. Zu Angelo.
    Die dünnen Sohlen meiner Schuhe begannen zu schmelzen und klebten am trockenen Boden fest. Mit zwei fahrigen Schritten befreite ich mich aus ihnen, um barfuß weiterzulaufen, obwohl das erhitzte Erdreich mir die Haut versengte. Die feinen Härchen auf meinen Armen kräuselten sich und mein Zopf begann zu knistern. Lahm schlug ich dagegen, um die vermeintlichen Flammen zu löschen, wobei das Band aufging und meine Locken sich mit einem Ruck aus ihrem ungewohnten Gefängnis befreiten.
    Colin!, wollte ich erneut rufen, doch dieses Mal konnte ich nur noch würgen. Keine Kraft mehr zu husten. Der Ruß legte sich schwarz auf meine Lungen. Punkte tanzten vor meinen entzündeten Augen, als ich über einen lodernden Ast sprang und mich auf eine Lichtung rettete, die das Feuer noch nicht erfasst hatte. Nun konnte ich seinen Namen nicht einmal denken. Ich wollte ihn auch nicht denken. Sein Gesicht kannte ich nicht mehr. Seine Nähe war mir fremd. Hinter mir hörte ich schwere Hufe trappeln. Fliehendes Wild oder … oder … nein … bitte nicht …
    »Hey. Süße. Was machst du hier?«
    Ich fuhr herum und stürzte blindlings in seine Arme, um mich Halt suchend an ihm festzuklammern.
    »Da bist du ja … Ich hab dich gesucht …«, röchelte ich. Er nahm mich hoch. Ich legte meine Beine wie ein Äffchen um seine Hüften. »Ich hatte dich so vermisst, du wolltest heute zurück sein!«
    »Ich bin ja zurück. Ich bin wieder da. Aber das hier ist kein Platz für dich. Noch bist du sterblich … Wovor hast du Angst? Du bist doch jetzt in Sicherheit.«
    Wieder hörte ich das Geräusch von trampelnden Hufen hinter uns.
    »Lass mich los. Du musst mich loslassen!«, flüsterte ich heulend in sein Ohr. »Colin kommt. Er ist hier. Wahrscheinlich sucht er mich.«
    Angelo reagierte sofort, aber nicht schnell genug. Schon war Louis mit panisch aufgerissenen Augen und peitschendem Schweif durch das brennende Dickicht gebrochen. Mit einer schnellen Bewegung, sein schwarzer Blick leblos und kalt wie Stein, hatte Colin mich aus Angelos Armen gerissen und vor sich auf den Rücken des Hengstes gehievt. Ich drehte mich zu Angelo um.
    »Heute Abend!«, rief ich ihm zu. »Warte auf mich!«
    Er nickte nur, seine blauen Augen verwundert und ein wenig verletzt, vielleicht sogar mutlos. Entschuldigend hob er die Schultern. Es schnitt mir ins Herz. Ich wollte Colins Arm von meinem Bauch schieben, um mich vom Pferd fallen zu lassen und zurück in die Flammen zu rennen, doch ich hatte keine Chance. Meine Finger schrammten über das breite Lederarmband an Colins Handgelenk. Tief bohrten sich die Splitter des Schiffsbodens in meine Haut. Die Splitter. Ich hatte sie mir selbst in den Daumenballen gejagt. Warum hatte ich das getan? Hatten sie mich nicht an etwas erinnern sollen? Aber was sollte das

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