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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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nicht erzählt. Nicht, dass Tessa es war, die ihn befreite.« Woher wusste Gianna das? Ich war überzeugt, Tessa in diesem Zusammenhang nicht erwähnt zu haben.
    Gianna blickte betreten zu Boden. »Okay, ich gebe es zu, er hat es mir selbst erzählt. Heute Nacht. Wir haben uns kurz unterhalten …«
    »… als er nackt war?«, unterbrach ich sie ungläubig.
    »Er hat sich in den Schatten gestellt, sodass ich nur seine Augen leuchten sah, sonst nichts.« Nun, alles andere leuchtet auch nicht, dachte ich müde. »Keine Bange, ich hab ihm nix abgeguckt. Ich hab ihn danach gefragt, weil es mich interessierte, und aus seinen Schilderungen hörte ich heraus, dass sie ihn gerettet hat.«
    Colin berichtete Gianna freiwillig von seinen traumatischsten Erlebnissen? Einen Moment lang konnte ich nicht mehr denken vor lauter Eifersucht.
    »Er hat nicht viel gesagt, Ellie, ich hab rasch gemerkt, dass er darüber nicht sprechen will und schnell wieder zu dir möchte.« Wo er nicht aufgetaucht war. Wenigstens hatte er Gianna abgewimmelt. »Nur … wenn Tessa ihn da rausgeholt hat, frage ich mich, wie sie auf ihn aufmerksam wurde. Denn glücklich war er dort ja wohl nicht. Also muss es noch eine andere Möglichkeit geben, sie zu locken … vielleicht, wenn es ihm sehr schlecht geht? Kommt sie dann auch?«
    »Nein«, flüsterte ich, wohl wissend, dass ich nun tatsächlich einen Verrat beging, denn es gab kaum etwas, wofür sich Colin mehr schämte als das. »Er hat sie gerufen.«
    »Puh«, machte Gianna nach einer kleinen Pause und pustete sich ein paar ihrer dunklen Strähnen aus der Stirn, die heute noch keine Bekanntschaft mit Kamm und Bürste gemacht hatten. »Er hat sie gerufen. Das war sicher erniedrigend für ihn, aber auf der anderen Seite … es gibt diese Möglichkeit. Er kann sie rufen«, überlegte sie. »Und sie hat die Metamorphose nicht vollendet?«
    Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Wie hatte Colin das geschafft? Oder hatte sie erneut etwas auf ihn übertragen? War er vorher weniger dämonisch gewesen als heute?
    »Er kann sie rufen«, wiederholte Gianna laut. »Oder, Ellie?« Meine beunruhigenden Gedanken zerstreuten sich.
    »Er kann es. Aber er wird es nicht tun. Niemals. Gianna, bitte verlange das nicht von ihm, er darf nicht wissen, dass du das weißt, selbst ich sollte es eigentlich nicht wissen! Oh Mann, warum hab ich dir das nur gesagt? Tu ihm das nicht an …«
    Es würde das Ende von Colins und meiner Beziehung bedeuten, wenn er erfuhr, dass ich es jemand anderem verraten und damit ihn verraten hatte – seinen schwächsten Moment, seine größte Niederlage gegen sich selbst.
    »Willst du ihn nicht wenigstens fragen?«
    »Nein. Nein, das kann ich nicht. Gianna, das geht nicht und er würde es sowieso nicht tun, dafür kenne ich ihn gut genug.«
    »Frühstück ist fertig!«, rief Paul von draußen. Wie viel mochte er von unserem Gespräch gehört haben? Genug, damit auch er wusste, auf welche Weise Colin sich befreit hatte? Wieso hatte ich meinen Mund nicht gehalten? Wollte mein viel beschworenes Unterbewusstsein Colin damit strafen? Aber wofür nur – dass er mich und meinen Bruder hatte retten wollen? Niemand durfte ihn dafür strafen, selbst ich nicht, die für diesen Plan durch die Hölle gegangen war.
    »Frühstück ist fertig … Hast du gehört, Ellie?«, wisperte Gianna. Sie sah leicht abgedreht aus und ihre Wimpern flatterten. »Es gibt Frühstück. Brötchen, Kaffee, Honig, Marmelade, frisch aufgeschnittene Melone. Danach werden wir an den Strand gehen, baden, Volleyball spielen, Mittag essen, Siesta halten, wieder an den Strand gehen … und immer darauf warten, dass sie sich plötzlich entschließt zu kommen … Ich werde noch wahnsinnig dabei!«
    »Dann fahrt doch nach Hause«, sagte ich kalt. »Fahrt nach Hause! Ich will niemanden zwingen hierzubleiben.« War es das, wovon Colin gestern Abend gesprochen hatte? Ich würde meine Freunde vertreiben, weil sie mit ihrem tief verwurzelten Abscheu und ihrer Angst nicht klarkamen und sie auf mich übertrugen? Geschah es etwa schon?
    »Ach, Ellie … Das ist keine Lösung, ich weiß das, aber …« Nein, so schnell durfte es nicht gehen. Ich musste um sie kämpfen, nicht nur um Gianna, sondern auch um Paul und Tillmann. Vor allem um Tillmann. Tillmann hielt zwar ebenfalls gerne Vorträge, aber wenigstens krittelte er nicht ständig an Colin herum. Jedes Mal, wenn Gianna meine Beziehung mit Colin infrage stellte, beschlich mich das Gefühl,

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