Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
Blick zu. Die kostbaren Geschenke kommen immer ohne Nachricht, doch wir alle wissen, wer sie ihr schickt. Ich muss an letztes Jahr denken, als Richard mir in den zwölf Tagen vor Weihnachten jeden Tag ein Geschenk überreicht hat. Doch ich bleibe gleichgültig. An Juwelen liegt mir nichts mehr.
    Das Weihnachtsfest ist der Höhepunkt ihres Triumphes. Im vergangenen Jahr war sie eine in Ungnade gefallene Empfängerin unserer Wohltätigkeit, ein Bastard und die Verlobte eines Verräters, doch in diesem Jahr ist sie unaufhaltsam aufgestiegen, wie ein billiger Korken auf stürmischer See. Wir gehen zusammen zur Anprobe neuer Kleider, als wären wir Mutter und Tochter, als wären wir Schwestern. Wir stehen im Hauptraum der königlichen Kleiderkammer, und man steckt uns Seide, Goldbrokat und Pelze an, und ich blicke in den großen versilberten Spiegel und sehe mein müdes Gesicht und mein verblassendes Haar, während ich dieselben strahlenden farbenfrohen Stoffe anprobiere wie die lächelnde Schönheit neben mir. Sie ist zehn Jahre jünger als ich, was besonders ins Auge fällt, wenn wir nebeneinanderstehen und gleich gekleidet sind.
    Richard eignet ihr vor aller Augen Schmuck zu, der meinem ähnlich ist. Sie trägt einen Kopfschmuck, der einer kleinen goldenen Krone gleicht. In ihren kleinen Ohren stecken Diamanten, und Saphire schmücken ihren Hals. Der Hof präsentiert sich zu Weihnachten in all seiner Pracht, alle tragen ihre besten Kleider, und jeden Tag finden gesellschaftliche Zerstreuungen, sportliche Betätigungen und Spiele statt. Elizabeth tanzt unablässig, sie ist die Königin der Hofunterhaltung, übertrumpft alle bei den Spielen, ist die unangefochtene Gebieterin des Festes. Ich sitze auf meinem prächtigen Stuhl, über mir das Wappentuch, die Krone drückt schwer auf meine Stirn. Als mein Gemahl aufsteht, um mit der schönsten jungen Frau im Palast zu tanzen, setze ich ein nachsichtiges Lächeln auf. Er nimmt ihre Hand und führt sie zur Seite, um sich mit ihr zu unterhalten, und bringt sie dann mit gerötetem Gesicht und mit wankendem Schritt zurück. Sie wirft mir einen Blick zu, wie um sich zu entschuldigen, als hoffte sie, es mache mir nichts aus, dass alle am Hof und inzwischen fast alle im Land glauben, sie seien ein Paar und ich hätte ausgedient. Obwohl sie so viel Anstand besitzt, sich zu schämen, ist sie getrieben von Verlangen. Sie kann nicht nein zu ihm sagen. Vielleicht ist sie verliebt.
    Auch ich tanze. Wenn ein langsamer, getragener Tanz erklingt, lasse ich mich von Richard auf die Tanzfläche führen, und die Tänzer folgen uns mit geschmeidigen Schritten. Richard achtet darauf, dass meine Schritte sich dem Rhythmus anpassen. Erst letztes Jahr an Weihnachten hat der Hof eine prunkvolle Feier abgehalten – ein neuer König saß auf dem Thron, neuer Wohlstand musste verteilt, neue Schätze mussten gekauft, neue Kleider vorgezeigt werden –, und dann bekam mein Sohn ein wenig Fieber und starb daran, und ich war nicht an seinem Bett, sondern habe unseren Erfolg gefeiert und in den Wäldern von Nottingham gejagt. Ich weiß nicht, was es noch zu feiern gibt.
    Den Weihnachtstag begehen wir als hohen Feiertag, an dem wir mehrmals zur Messe gehen. Elizabeth gibt sich fromm, trägt einen Schleier aus grünem Flor über ihrem blonden Haar und hält den Blick gesenkt. Auf dem Rückweg von der Kapelle begleitet Richard mich, meine Hand in der seinen.
    «Du bist müde», sagt er.
    Ich bin des Lebens müde.
    «Nein», erwidere ich. «Ich freue mich auf die verbleibenden Weihnachtstage.»
    «Es sind unschöne Gerüchte im Umlauf. Hör nicht auf sie, an ihnen ist nichts dran.»
    Ich verharre, und der Hofstaat hinter uns bleibt stehen. «Lasst uns allein», sage ich über die Schulter. Sie ziehen sich zurück, und Elizabeth sieht mich an, als überlegte sie, mir nicht zu gehorchen. Richard bedenkt sie mit einem Kopfschütteln, und sie knickst kurz vor mir und entfernt sich.
    «Was für Gerüchte?»
    «Ich habe doch gesagt, ich möchte nicht, dass du ihnen Beachtung schenkst.»
    «Dann erfahre ich es besser von dir.»
    Er zuckt die Achseln. «Manche sagen, ich hätte vor, dich fallen zu lassen und Prinzessin Elizabeth zu heiraten.»
    «Dann ist die Scharade mit der Tändelei also aufgegangen», bemerke ich. «Was ist es, Tändelei? Oder eine Scharade?»
    «Beides», antwortet er verbissen. «Ich musste die Verlobung zwischen ihr und Tudor in Misskredit bringen. Er wird in diesem Frühling einmarschieren. Ich

Weitere Kostenlose Bücher