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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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zierlich, doch er hat nicht leicht Fieber bekommen. Mit ihrem bösartigen Fluch hat sie seine Adern entflammt, seine Lunge, sein armes, schwaches Herz. Elizabeth Woodville und ihre Tochter Elizabeth haben meinen Jungen ausgelöscht, um sich für den Verlust ihrer Jungen zu rächen.
    Richard kommt vor dem Abendessen in meine Gemächer, um mich in die große Halle zu geleiten, als wäre die Welt noch dieselbe. Doch ich muss ihn nur anblicken, um zu wissen, dass nichts mehr so ist, wie es war. Sein entschlossener Gesichtsausdruck ist einer strengen, ja, geradezu grimmigen Miene gewichen. Von der Nase zu den Mundwinkeln ziehen sich zwei tiefe Falten, und über den Augenbrauen haben sich zwei harte Linien in seine Stirn gegraben. Er lächelt nie. Wenn er finster in mein blasses Antlitz blickt, ist mir, als würde keiner von uns je wieder lächeln.

Nottingham Castle

Sommer 1484
    W ährend des heißen Sommers kehren die Rivers-Mädchen zurück an den Hof. Schön und selbstbewusst reiten sie ein und werden von den jungen Männern im Dienst des Königs jubelnd begrüßt. Wie es scheint, wurden sie sehr vermisst.
    Die drei suchen mich in meinen Gemächern auf und verneigen sich tief vor mir und lächeln, als dächten sie, ich würde sie freundlich begrüßen. Ich bringe es gerade eben über mich, sie nach ihrer Reise und der Gesundheit ihrer Mutter zu fragen, doch selbst in meinen Ohren klingt meine Stimme dünn und leise. Elizabeth wird ihrer Mutter schreiben und ihr berichten, dass ich blass aussehe und meist schweige. Gewiss wird sie bemerken, dass ihr Hexenfluch, der meinen Sohn getötet hat, auch beinahe mein Herz zum Stillstand gebracht hat. Es kümmert mich nicht mehr. Die beiden Elizabeths – Mutter und Tochter – können nichts mehr gegen mich ausrichten. Alle, die ich geliebt habe, haben diese beiden mir genommen; der Einzige, der mir noch geblieben ist in der Welt, ist mein Gemahl Richard. Werden sie ihn mir auch nehmen? Ich bin so umfangen von meiner Trauer, dass es mir gleichgültig ist.
    Und es sieht ganz danach aus, als würden sie ihn mir stehlen. Elizabeth geht in den kühlen Abendstunden mit Richard im Garten spazieren. Er hat sie gern bei sich, und die Höflinge, die sich stets auf die Seite der Günstlinge schlagen, preisen bald ihre kluge, zurückhaltende Art der Konversation und die Anmut ihrer Schritte.
    Ich beobachte von den Fenstern meines Gemachs hoch oben in der Burg, wie sie zum Fluss gehen, und sie wirken wie ein Liebespaar, ein Ritter und seine Dame, auf einem Gemälde. Sie gehen nebeneinanderher, sie ist hochgewachsen, fast so groß wie er. Gedankenverloren frage ich mich, worüber sie sich so angeregt unterhalten, was sie zum Lachen bringt, warum sie stehen bleibt und sich mit der Hand an den Hals fährt und sich dann bei ihm einhakt, bevor sie weitergehen. Aus dieser Entfernung, von meinem hochgelegenen Fenster, sind sie ein schönes Paar: Sie passen gut zusammen. Vom Alter her sind sie schließlich nicht so weit auseinander, sie ist achtzehn und er erst einunddreißig. Sie besitzen beide den York-Charme, mit dem sie jetzt einander umgarnen. Sie hat goldenes Haar wie sein Bruder, und er ist dunkel wie sein gutaussehender Vater. Richard nimmt ihre Hand, zieht sie ein wenig näher und flüstert ihr etwas ins Ohr. Mit einem kurzen Lachen wendet sie den Kopf, kokett wie die meisten achtzehnjährigen Schönheiten. Sie entfernen sich vom Hofstaat, und die Höflinge folgen ihnen mit ein wenig Abstand, sodass sie sich einbilden können, sie wären allein.
    Das letzte Mal, als ich beobachtete, wie der Hofstaat dem König folgte, sorgfältig seine Schritte messend, ging Edward Arm in Arm mit seiner neuen Geliebten Elizabeth Shore spazieren, während Elizabeth, seine Königin, sich wieder einmal im rituellen Rückzug befand. In dem Augenblick, da sie nach der Geburt den Segen der Kirche erhielt, verschwand die Shore vom Hof und ward nie wieder gesehen – ich lächele bei der Erinnerung an die schamhaft entschuldigende Zärtlichkeit des Königs gegenüber seiner Gemahlin und den ruhigen Blick aus ihren grauen Augen. Ein seltsames Bild, wenn der Hofstaat mit gemessenen Schritten dem König folgt, doch diesmal ist es mein Gemahl, dem man Privatsphäre zugesteht, während er mit seiner Nichte durch den Garten spaziert.
    Warum tun sie das?, überlege ich, die Stirn an das kühle dicke Fensterglas gelehnt. Warum bleiben die Höflinge so taktvoll zurück? Halten sie sie für seine Geliebte? Denken sie,

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