Dornenschwestern (German Edition)
die in die Stadt Calais kommen, erzählen uns, dass die Franzosen meinen Vater «den Königsmacher» nennen und sagen, ohne sein Einverständnis könne sich niemand auf dem Thron von England halten.
«Königsmacher», murmelt meine Mutter und lässt sich das Wort auf der Zunge zergehen. Sie lächelt ihre Hofdamen an, ja, sie hat sogar ein Lächeln für mich und bemerkt: «Guter Gott, was reden die Leute doch für dummes Zeug.»
Dann bringt uns ein Schiff aus England einen Packen Briefe, und der Kapitän kommt in die Burg, um meine Mutter unter vier Augen zu sprechen und ihr zu sagen, in ganz London verbreite sich die Nachricht, König Edward sei ein Bastard, er sei nicht der leibliche Sohn seines Vaters, sondern das unehelich gezeugte Kind eines englischen Bogenschützen. Edward sei niemals der wahre Erbe des Hauses York gewesen. Er sei von niederer Herkunft und habe niemals auf den Thron gelangen dürfen.
«Behaupten die Leute wirklich, Herzogin Cecily habe einem Bogenschützen beigeschlafen?», frage ich laut, als eine der Hofdamen den Klatsch flüsternd verbreitet. Die Mutter der Königin, unsere Großtante, ist eine der mächtigsten Ladys im ganzen Reich; nur ein Narr kann so etwas von ihr glauben. «Einem Bogenschützen?»
Zornig stürzt meine Mutter sich auf mich und versetzt mir eine schallende Ohrfeige, dass mein Kopfschmuck durch das Zimmer fliegt.
«Geh mir aus den Augen!», fährt sie auf. «Und denk nach, bevor du es wagst, schlecht über Menschen zu sprechen, die weit über dir stehen! Sag so etwas nie wieder in meiner Gegenwart.»
Ich haste durchs Zimmer, um meine Haube zu holen. «Werte Mutter …», will ich mich entschuldigen.
«Geh in dein Gemach!», befiehlt sie mir. «Und dann zum Priester und tue Buße, weil du geklatscht hast.»
Ich eile, den Kopfschmuck an die Brust gedrückt, hinaus und finde Isabel in unserem Schlafgemach.
«Was ist?», fragt sie, als ihr Blick auf den roten Handabdruck auf meiner Wange fällt.
«Unsere werte Mutter», antworte ich knapp.
Isabel greift in den Ärmel und leiht mir ihr besonderes Hochzeits-Taschentuch, damit ich mir die Tränen abwische. «Hier», sagt sie ruhig. «Warum hat sie dich geohrfeigt? Komm, setz dich hierher, dann kämme ich dir das Haar.»
Ich unterdrücke die Schluchzer und setze mich vor den kleinen versilberten Spiegel; Isabel nimmt die Nadeln aus meinem Haar und kämmt mir mit dem Elfenbeinkamm, den ihr Gemahl ihr nach der Hochzeitsnacht geschenkt hat, die Strähnen.
«Was ist passiert?»
«Ich habe nur gesagt, ich könne nicht glauben, dass König Edward ein Bastard ist und die Herzogin ihn seinem Vater untergeschoben hat», rechtfertige ich mich. «Und selbst wenn ich zu Tode geprügelt werde, weil ich es gesagt habe, ich kann es trotzdem nicht glauben. Unsere Großtante? Herzogin Cecily? Wer wagt es, so etwas über sie zu behaupten? Sie ist so eine große Dame. Wer sagt so etwas über sie? Würde man so einem nicht die Zunge spalten? Was meinst du?»
«Ich glaube, es ist eine Lüge», sagt sie trocken, während sie meine Haare zu einem Zopf flicht und mir auf dem Kopf feststeckt. «Deswegen hast du eine Ohrfeige bekommen. Mutter war verärgert über dich, weil es eine Lüge ist, die wir nicht anzweifeln sollen. Wir sollen sie nicht erwähnen, doch wir sollen sie auch nicht anzweifeln. Es ist eine Lüge, aber sie wird von unseren Männern in ganz London und auch in Calais erzählt, und wir sollen ihr nicht widersprechen.»
Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. «Warum sagen unsere Männer so etwas? Warum verbieten wir ihnen nicht, darüber zu sprechen, so wie es mir verboten wurde? Warum erlauben wir solch eine Lüge? Warum behauptet jemand, Herzogin Cecily habe ihren Gemahl betrogen und Schande über sich gebracht?»
«Denk nach», ermahnt sie mich.
Ich betrachte mein Spiegelbild. Mein von Isabel elegant geflochtenes braunes Haar schimmert wie Bronze, doch mein junges Gesicht wird von einem ratlosen Stirnrunzeln beherrscht. Isabel wartet, dass ich den verworrenen Pfad der Verschwörung meines Vaters nachvollziehe.
«Vater erlaubt den Männern, diese Lüge zu verbreiten?»
«Ja», sagt sie.
«Weil … wenn Edward illegitim ist, dann ist George der rechtmäßige Thronerbe», füge ich hinzu.
«Und damit der wahre König von England», sagt sie. «Alles läuft darauf hinaus, dass George den Thron einnimmt, mit mir an seiner Seite, und Vater wird uns beide für alle Zeiten regieren. Sie nennen ihn den Königsmacher. Er hat
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