Dornenschwestern (German Edition)

selbstbewusst gelächelt hat an ihrem Krönungsfest, und stelle sie mir als Gefangene im Tower vor, und nicht als Herrin desselben, die bis zum Morgengrauen tanzt.
    «Das kann er nicht, sie haben ihm Lehnstreue geschworen», sage ich wie benommen. «Wir alle haben ihm die Treue geschworen und gesagt, Edward sei der wahre König, der gesalbte König. Wir haben der Königin die Hand geküsst. Wir haben gesagt, König Edward habe einen größeren Anspruch auf den Thron als der schlafende König. Dass er die Blume von York sei und wir im süßen Garten Englands wandeln. Und wir haben auf ihrer Krönung getanzt, wo sie so schön ausgesehen hat und sie so glücklich waren. Edward ist König von England – einen anderen kann es nicht geben. Sie ist Königin.»
    Ungeduldig schüttelt Isabel den Kopf. «Du glaubst, alles wäre so leicht! Denkst du wirklich, alles ist so geradlinig? Wir haben ihm die Treue geschworen, weil Vater dachte, er würde durch König Edward regieren. Was ist, wenn er jetzt denkt, er würde durch George regieren? Durch George und mich?»
    «Er will dich auf den Thron von England setzen?», frage ich ungläubig. «Du sollst ihre Krone tragen? Du sollst ihren Platz einnehmen? Nicht darauf warten, dass Edward stirbt? Einfach alles nehmen?»
    Sie ist nicht aufgeregt wie damals, als wir spielten, wir wären Königinnen. Sie ist bestürzt. Sie sieht aus, als hätte sie Angst.
    «Ja.»

Burg von Calais

Sommer 1469
    E s erweist sich, dass Isabels neuer Gemahl George, mein Vater und die Männer, die sich als Hochzeitsgäste versammelt haben, eine angeworbene Streitmacht sind, die einander die Treue geschworen haben und bereit sind, nach England einzumarschieren. Sie setzen Segel, landen in Kent und marschieren auf die Midlands zu. Aus den Städten strömen Männer herbei, um sich ihnen anzuschließen, auf den Feldern werfen sie ihre Spaten hin und laufen hinter Vaters Armee her. Die Menschen von England erinnern sich noch an ihn als den Heerführer, der das Land vom Fluch des schlafenden Königs befreit hat, sie lieben ihn als den Hauptmann, der den Ärmelkanal beherrscht und Piraten und Franzosen von unseren Küsten fernhält. Sie glauben ihm, wenn er sagt, dass er nichts anderes will, als dem jungen König das Regieren beizubringen und ihn von der Knute seiner Gemahlin zu befreien – auch eine willensstarke Frau, auch eine böse Königin, die England mit einem Fluch strafen wird, wenn die Männer dieser weiblichen Herrscherin nachgeben.
    Die Menschen in England haben gelernt, die böse Königin, Margarete von Anjou, zu hassen. Bei der ersten Erwähnung einer anderen willensstarken, entschlossenen Frau, die ihre Position als Gemahlin des Königs ausnutzt, um das Königreich zu regieren, rücken sie rasend vor beleidigtem männlichem Stolz aus. Mein Onkel George, dem die Königin sein Amt als Hoher Lordkanzler weggenommen hat, erwischt Edward, als dieser sich seiner Armee anschließen will, setzt ihn fest und schickt ihn unter Bewachung nach Warwick Castle, unser Heim. Mein Vater nimmt den Vater der Königin und ihren Bruder auf dem Weg nach Wales gefangen. Er schickt einen Trupp nach Grafton in Northampton und bringt die Mutter der Königin in seine Gewalt. Bevor sie begreifen, dass sie zur Beute geworden sind, jagt Vater die Rivers. Die Macht des Königs hat ein Ende, die schlechten Ratgeber des Königs haben ausgespielt. Das ist das Ende der Familie Rivers. Drei Mitglieder der ausgedehnten Sippe der Königin hält Vater in seiner Gewalt: ihren Vater, ihre Mutter und ihren Bruder.
    Nur ganz allmählich und mit wachsendem Grauen begreifen wir, dass Vater ihnen nicht droht, weil er ihnen eine Lektion erteilen will. Er hat nicht nur ein paar Verwandte gefangen genommen, um sie gegen Lösegeld freizulassen. Nein, dies ist eine Kriegserklärung gegen die Rivers. Vater beschuldigt den Vater der Königin und ihren gutaussehenden Bruder John des Verrats und befiehlt ihre Hinrichtung. Ohne Rechtsgrundlage, ohne ein richtiges Verfahren bringt er sie von Chepstow in unsere Festung Coventry und richtet sie vor den harten grauen Mauern der Stadt hin, ohne die Gelegenheit zum Einspruch, ohne die Chance auf Begnadigung. Der stattliche junge Mann, mit einer Frau vermählt, die alt genug ist, um seine Großmutter zu sein, stirbt vor ihren Augen; der Scharfrichter packt seine dunklen Locken, sein Haupt ruht auf dem Richtblock. Lord Rivers legt den Kopf in das Blut seines Sohnes. Die Königin, voller Trauer und Angst um