Dornenschwestern (German Edition)
über uns, ich höre die Belustigung aus ihren Stimmen heraus. Ich wende mich ab, um das versteckte Lächeln nicht zu sehen, halte den Blick gesenkt. Ich schäme mich in Grund und Boden für das, was wir getan haben.
Wir sind gescheitert. Uns ist es nicht gelungen, den König außer Gefecht zu setzen. Wir haben eine kleine Schlacht gewonnen, aber niemand hat uns unterstützt. Es hat nicht ausgereicht, dass mein Vater den König in Warwick und in Middleham festgesetzt hat. Der König hat einfach von dort regiert und so getan, als wäre er ein Ehrengast, und als ihm der Sinn danach stand, ist er davongeritten.
«Isabel muss an den Hof der Königin», höre ich den König laut sagen.
Mein Vater erwidert, ohne Luft zu holen: «Ja, ja, selbstverständlich, es wird ihr eine Ehre sein.»
Isabel und die Königin hören es, sehen im selben Augenblick auf, und ihre Blicke begegnen sich. Isabel wirkt schockiert und ängstlich, sie öffnet die Lippen, als wollte sie Vater bitten, sich zu weigern. Doch die Tage, da wir uns zu gut waren für den Dienst im königlichen Haushalt, sind längst vergangen. Isabel wird in den Gemächern der Königin leben und ihr jeden Tag aufwarten müssen. Die Königin wendet mit einer geringschätzigen Geste den Kopf ab, als ertrüge sie unseren Anblick nicht, als wären wir unsauber, als wären wir Leprakranke. Vater sieht uns gar nicht an.
«Komm mit», flüstert Isabel mir eindringlich zu. «Du musst mit mir kommen, wenn ich ihr dienen muss. Komm und leb in ihrem Haushalt, Annie. Ich schwöre, allein kann ich das nicht.»
«Vater wird mich nicht lassen …», erwidere ich schnell. «Hast du schon vergessen, dass Mutter sich beim letzten Mal geweigert hat? Du musst gehen, weil du ihre Schwägerin bist, aber ich kann nicht mitkommen, Mutter wird es nicht erlauben, und ich könnte es nicht ertragen …»
«Und Lady Anne ebenfalls», fährt der König fort.
«Selbstverständlich», sagt Vater gutmütig. «Was immer Euer Gnaden wünschen.»
Westminster Palace, London
Januar 1470
D ie Königin ist niemals unfreundlich zu uns. Nein, es ist viel schlimmer, es ist, als wären wir unsichtbar. Ihre Mutter richtet nie das Wort an uns, und wenn sie in der Galerie oder in der Halle an uns vorübergeht, tritt sie zurück und drückt sich an die Wand, als dürfte der Saum ihres Kleids uns auf keinen Fall streifen. Wenn eine andere Frau so etwas tun würde, würde ich es als Geste der Ehrerbietung deuten, als ließe sie mir den Vortritt. Doch wenn die Herzogin mit einem raschen Schritt zur Seite tritt, ohne mich anzusehen, habe ich das Gefühl, als zöge sie ihre Röcke von stinkendem Schlamm weg, als hätte ich etwas an den Schuhen oder an den Unterröcken, was einen üblen Geruch verströmt. Unsere Mutter sehen wir nur beim Abendessen und am Abend, wenn sie bei den Hofdamen der Königin sitzt, die einen kleinen unfreundlichen Kreis des Schweigens um sie ziehen, während sie sich untereinander freundlich unterhalten. Die übrige Zeit dienen wir der Königin, wir warten ihr auf, wenn sie sich am Morgen ankleidet, folgen ihr, wenn sie in den Kindertrakt geht, um ihre drei kleinen Mädchen zu besuchen, knien hinter ihr in der Kapelle, sitzen beim Frühstück unter ihrem Platz, und wenn sie auf die Jagd geht, reiten wir mit ihr aus. Wir sind die ganze Zeit um sie herum, doch sie gibt weder durch ein Wort noch durch einen Blick je zu verstehen, dass sie uns wahrnimmt.
Entsprechend der Rangordnung müssen wir oft unmittelbar hinter ihr gehen, und dann beachtet sie uns einfach nicht und spricht über unsere Köpfe hinweg mit ihren anderen Hofdamen. Wenn wir beide zufällig einmal die Einzigen sind, die sie begleiten, tut sie, als wäre sie allein. Wenn wir ihre Schleppe tragen, geht sie im selben Tempo, als wäre niemand hinter ihr, und wir müssen uns beeilen, um mit ihr Schritt zu halten, und blamieren uns dabei. Wenn sie uns ihre Handschuhe reicht, schaut sie nicht einmal hin, ob eine von uns sie auch nimmt. Lasse ich einmal einen fallen, lässt sie sich nicht dazu herab, es zu bemerken. Es ist, als ließe sie das kostbare parfümierte und bestickte Leder lieber im Schmutz liegen, als mich zu bitten, es aufzuheben. Wenn ich ihr etwas geben muss, ein Buch mit Geschichten oder eine Bittschrift, nimmt sie es, als käme es aus dem Nichts zu ihr geschwebt. Wenn ich ihr einen Blumenstrauß oder ein Taschentuch reiche, fasst sie alles so an, dass sie meine Finger nicht berührt. Sie bittet mich nie um ihr
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