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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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wird Herzog, und der König hat seinem Bruder gezeigt, dass er leicht andere Herzöge ernennen und in die Familie bringen kann. Vater hat andere Schachfiguren, die er auf das Spielbrett stellt.
    «Was werden wir in London machen?», flüstere ich Isabel zu, während ich mich vorbeuge und ihren Schleier glatt streiche.
    «Unsere Freundschaft bezeigen, nehme ich an», sagt sie. «Der Königin die Pelze und das Krönungsgewand an die königliche Kleiderkammer zurückgeben. Hoffen, dass Vater damit zufrieden ist, unseren Cousin in die Königsfamilie einzuheiraten, und nicht wieder die Waffen gegen den König erhebt.»
    «Du wirst nicht Königin», sage ich voller Bedauern. Doch heimlich bin ich von einem unmerklichen Glühen erfüllt, dass meine Schwester nun doch keinen Hermelin tragen und nicht die erste Frau im Königreich sein wird, Königin von England, Favoritin meines Vaters, die Tochter, die seinen größten Ehrgeiz erfüllt, die Schachfigur, mit der er den siegreichen Zug vollführt.
    «Nein, jetzt nicht.»

Westminster Palace, London

Weihnachten 1469 – 1470
    W ieder betreten Isabel und ich die Gemächer der Königin, und uns schwant Böses. Die Königin sitzt auf ihrem prächtigen Stuhl, hinter ihr steht wie eine Eisskulptur ihre Mutter Jacquetta. Unsere Mutter tritt nach Isabel, aber vor mir ein, und ich wünschte, ich wäre so klein, dass ich die Zehen unter ihre Schleppe schieben und unbemerkt vorbeigehen könnte. Heute wird mich niemand bezaubernd finden. Obwohl Isabel eine verheiratete Frau ist und die Schwägerin der Königin, hält sie den Blick zu Boden gerichtet, wie ein ungehorsames Kind, das sich wünscht, der Augenblick ginge rasch vorüber.
    Meine Mutter sinkt in einen tiefen Knicks, wie es sich für sie vor einer Königin von England geziemt, und erhebt sich und steht ruhig mit verschränkten Händen vor ihr, so gefasst, als wäre sie in ihrer Burg Warwick. Die Königin betrachtet sie von oben bis unten, und ihr Blick ist so warm wie grauer Schiefer im Eisregen.
    «Ah, Countess of Warwick», sagt sie mit einer Stimme, so leicht und kalt wie wehender Schnee.
    «Euer Gnaden», erwidert meine Mutter mit zusammengebissenen Zähnen.
    Die Mutter der Königin, das liebliche Gesicht ausdruckslos vor Trauer, trägt Weiß, die königliche Trauerfarbe ihres Hauses. Sie sieht uns drei an, als würde sie uns am liebsten an Ort und Stelle niederstechen. Mehr als einen kurzen Blick auf sie wage ich nicht, bevor ich auf meine Füße schaue. Beim Krönungsmahl hat sie mir ein Lächeln geschenkt; jetzt sieht sie aus, als würde sie nie wieder lächeln. Ich habe noch nie die Spuren großen Kummers in den Zügen einer Frau gesehen, doch ich erkenne sie in der verwüsteten Schönheit von Jacquetta Woodville. Meine Mutter neigt den Kopf.
    «Euer Gnaden, es tut mir leid um Euren Verlust», sagt sie.
    Die Witwe erwidert nichts. Wir stehen da, als wären wir unter ihrem kalten Blick zu Eis erstarrt. Ich denke: Also, irgendetwas muss sie antworten, gleich sagt sie etwas wie «Die Wechselfälle des Krieges» oder «Vielen Dank für Euer Mitgefühl» oder «Er ist bei Gott» oder irgendetwas, was Witwen sagen, wenn ihre Männer in der Schlacht gefallen sind. England hat in den letzten vierzehn Jahren mal mehr, mal weniger Krieg gegen sich selbst geführt. Viele Frauen begegnen sich und wissen, dass ihre Männer in diesen Kriegen auf feindlichen Seiten gestanden haben. Wir sind es gewohnt, neue, wechselnde Allianzen einzugehen. Doch es scheint, als wären Jacquetta, Witwe von Richard Woodville, Lord Rivers, diese Konventionen nicht bekannt, denn sie sagt nichts, um uns die Situation leichter zu machen. Sie sieht uns an, als wären wir bis ans Ende aller Tage ihre Feinde, als verfluchte sie uns im Stillen, als wäre dies der Beginn einer Blutfehde, die niemals endet. Ich merke, dass ich unter dem todbringenden Hass ihres Blickes anfange zu zittern, ich schlucke und überlege, ob ich wohl jeden Augenblick in Ohnmacht falle.
    «Er war ein tapferer Mann», sagt meine Mutter. Angesichts Jacquettas kummervoll versteinertem Gesicht klingt diese Bemerkung geradezu frivol.
    Endlich ergreift die Witwe das Wort. «Er hat den unehrenhaften Tod eines Verräters erlitten, geköpft vom Hufschmied in Coventry, und mein geliebter Sohn John ist ihm in den Tod gefolgt», erwidert die Mutter der Königin. «Sie waren unschuldig, ihr Leben lang haben sie sich keines Vergehens schuldig gemacht. John war erst vierundzwanzig Jahre alt, gehorsam

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