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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Gebetbuch oder ihren Rosenkranz, und ich wage es nicht, sie ihr darzubieten. Ich fürchte, sie würde denken, sie seien durch meine blutigen Hände besudelt.
    Isabel versinkt in einer dumpfen Verdrossenheit, tut, wie ihr geheißen, sitzt schweigend da und wirft nie eine Bemerkung ein, während die Hofdamen um sie herum plaudern. Als Isabels Bauch wächst, bittet die Königin sie immer seltener um kleinere Dienste, doch nicht aus Liebenswürdigkeit. Mit einer verächtlichen Kopfbewegung deutet sie an, Isabel sei nicht in der Lage, ihr zu dienen, tauge nichts als Hofdame, sei zu nichts anderem gut als dazu, Nachkömmlinge zur Welt zu bringen wie ein Schwein. Isabel faltet die Hände über dem Bauch, wie um ihn zu verbergen, als fürchtete sie, die Königin könnte einen Blick auf das Ungeborene werfen.
    Trotz allem ist es mir unmöglich, die Königin als meine Feindin zu betrachten, denn ich werde das Gefühl nicht los, dass sie im Recht ist und wir im Unrecht und dass wir ihre offenkundige Verachtung meinem Vater zu verdanken haben. Ich kann ihr nicht zürnen, dazu schäme ich mich zu sehr. Wenn sie ihre Töchter anlächelt oder mit ihrem Gemahl lacht, werde ich daran erinnert, dass ich dachte, als ich sie zum ersten Mal sah, sie sei die schönste Frau der Welt. Sie ist immer noch die schönste Frau der Welt, aber ich bin kein vor Ehrfurcht erstarrtes kleines Mädchen mehr; ich bin die Tochter ihres Feindes und des Mörders ihres Vaters und ihres Bruders. Und was geschehen ist, tut mir leid, ja, reut mich zutiefst – doch das kann ich ihr nicht sagen, und sie gibt mir deutlich zu verstehen, dass sie nichts von mir hören will.
    Nach einem Monat bekomme ich mein Abendessen am Tisch der Hofdamen nicht mehr herunter; es bleibt mir förmlich im Halse stecken. Ich kann nachts nicht schlafen, ich friere unablässig, als pfiffe es kalt durch mein Schlafgemach. Meine Hände zittern, wenn ich der Königin etwas reiche, und meine Näharbeiten sind hoffnungslos, das Leinen mit Blutströpfchen übersät, wo ich mir in die Finger gestochen habe. Ich erbitte von unserer werten Mutter die Erlaubnis, nach Warwick zu gehen oder sogar zurück nach Calais, und erkläre ihr, dass ich mich elend fühle, dass mich das Leben am Hof inmitten unserer Feinde krank macht.
    «Beklag dich nicht bei mir», sagt sie in schroffem Ton. «Ich muss beim Abendessen neben ihrer Mutter sitzen, und bei den Blicken der Hexe friert mich bis ins Mark. Dein Vater hat alles riskiert und verloren. Er konnte den König nicht allein gefangen halten, die Lords haben ihn nicht unterstützt, und ohne sie war nichts zu machen. Wir haben Glück, dass der König ihn nicht enthaupten ließ. Stattdessen sind wir an einem prächtigen Ort, am Hofe, deine Schwester ist mit dem Bruder des Königs verheiratet, und dein Cousin John mit der Tochter des Königs verlobt. Wir sind dem Thron nah und kommen ihm womöglich noch näher. Diene der Königin und sei dankbar, dass dein Vater nicht auf dem Schafott gestorben ist wie der ihre. Diene der Königin und sei froh, dass dein Vater dir einen guten Gemahl suchen wird und sie damit einverstanden ist.»
    «Ich kann nicht», entgegne ich matt. «Ehrlich, gnädige Mutter, ich kann nicht. Es ist nicht so, als wollte ich nicht, und ich will dir und Vater auch gehorchen. Aber ich kann es einfach nicht. Meine Knie geben lieber nach, als hinter ihr zu gehen. Wenn ihr Blick auf mir ruht, bekomme ich keinen Bissen herunter.»
    Das Gesicht, das sie mir zuwendet, ist kalt wie Stein. «Du entstammst einer großen Familie», ermahnt sie mich. «Dein Vater ist ein beträchtliches Wagnis eingegangen zum Wohle seiner Familie und zum Nutzen deiner Schwester. Isabel hat Glück, dass er der Meinung war, sie sei die Mühe wert. Wir haben es im Augenblick nicht leicht, doch das wird sich ändern. Zeig deinem Vater, dass es auch in deinem Fall lohnt, sich Mühe für dich zu geben. Du musst dich deiner Berufung gewachsen zeigen, Anne. Es hat keinen Sinn, wenn du jetzt schwach und kränklich wirst. Du bist zu Großem geboren, und so benimm dich auch.»
    Sie sieht, dass ich blass bin und zittere. «Oh, fass Mut!», sagt sie mit harter Stimme. «Vor der Geburt des Kindes deiner Schwester gehen wir nach Warwick Castle. Dort haben wir es leichter, und wir können dem Hof mindestens vier Monate fernbleiben. Das hier ist für keine von uns ein Vergnügen, Anne. Für mich ist es genauso schlimm wie für dich. Ich sorge dafür, dass wir so lange wie möglich in

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