Dornentöchter
Flugticket. Und falls du deine Freundin mitbringen willst, dann bezahl ich auch ihren Flug. Und für ihren Bruder.« Betty quietschte vor Freude, während Sadie ihm einen warnenden Blick zuwarf. Sie wollte nicht, dass Jack Versprechungen machte, die er nicht vorhatte zu halten. Und er hatte sich auch nicht die Mühe gemacht, vorher mit ihr abzusprechen, ob sie Betty nach Sydney fliegen lassen würde.
Sadie war überrascht gewesen, als Jack am Sonntag im Poet’s Cottage aufgetaucht war und verkündete, er und Jackie würden am nächsten Morgen abreisen. Zuerst behauptete er, sie müssten nach Hause, weil Jackie wieder zur Arbeit musste, doch dann gab er zu, dass Jackie Angst hatte, in Pencubitt zu bleiben.
»Ich weiß, es ist lächerlich«, sagte er, »aber wegen diesem verdammten alten Grammophon ist sie völlig ausgeflippt. Sie glaubt, es spukt im Haus, und diese ›Energie‹ will uns alle vertreiben. Sadie, ich finde, irgendetwas ist tatsächlich seltsam mit diesem Haus, meinst du nicht auch? Nicht unbedingt ein Spuk, aber irgendetwas stimmt da nicht.«
»Jack, ich glaube, du solltest auf dieser Kreuzfahrt demnächst mal ein bisschen ausspannen«, zog Sadie ihn auf. »Als Nächstes gehst du womöglich noch zur Wahrsagerin.« Obwohl Sadie dieselbe Beklommenheit empfand wie er, wollte sie auf keinen Fall, dass Jack seine Meinung änderte und Betty doch noch mit zurück nach Sydney nahm.
»Jedenfalls machst du das wie immer sehr gut, Sadie. Betty sieht richtig gesund aus. Ich hab mir Sorgen gemacht, als sie mich angemailt hat, aber ich sehe, dass sie sich hier in Tasmanien schon ganz gut eingelebt hat. Ich hoffe einfach, wir haben euch nicht zu sehr gestört. Versprich mir, dass du dich meldest, falls du irgendwas braucht. Ich mein’s ernst. Versprochen?« Beim Sprechen betrachtete er das Haus, und Sadie verspürte ein gewisses Unbehagen, als sie die Besorgnis in seinem Blick sah.
»Keine Sorge, Jack«, versicherte sie ihm mit mehr Überzeugung, als sie wirklich verspürte. »Ich verspreche dir, wir melden uns bei dir, und vergiss nicht, dass Thomasina ja auch noch hinten im Garten wohnt. Es tut Betty gut, ihre Verwandten kennenzulernen.« Selbst wenn diese Verwandte ein bisschen verrückt ist, hätte sie gerne hinzugefügt.
Jacks Miene brachte deutlich zum Ausdruck, dass Thomasina eines der Dinge war, um die er sich Gedanken machte, aber er sagte nur: »Es ist ein wunderschönes Haus. Ich verstehe, weshalb du es magst, obwohl ich immer noch behaupten möchte, dass irgendetwas daran gruselig ist.«
»Jack, du solltest nicht mehr so viele Horrorfilme schauen«, neckte Sadie ihn im Versuch, die Stimmung aufzulockern.
Als sie Jack und Jackie wegfahren sah, kam es ihr fast so vor, als würde das Haus erleichtert aufseufzen. War sie dabei, ihren Verstand zu verlieren, wenn sie ihrem Haus jetzt schon Gefühle zubilligte? Betty stand mit gesenktem Kopf neben ihr und verkündete dann, sie würde jetzt Thomasina besuchen gehen. Sadies Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie beobachtete, wie Betty mit hängenden Schultern am Haus vorbei davonging. Die Trennung war für keinen von ihnen leicht gewesen, aber Betty hatte am meisten gelitten. Herauszufinden, dass die geliebten Eltern sich zwar immer noch gernhatten, aber nicht mehr zusammenleben wollten, und dann damit klarzukommen, war eine schwierige Sache. Sadie war sich nicht sicher, ob sie selbst es verstand. Trotz allem gehörte ein großer Teil ihres Herzens immer noch Jack. Ja, er hatte sie mit Jackie betrogen, aber er war immerhin der Vater ihres Kindes. Er hatte mit ihr finanzielle Engpässe, schriftstellerische Erfolge und Misserfolge sowie gesundheitliche Probleme durchgestanden und sie hatten gemeinsam den Kauf ihres ersten Hauses gestemmt. Er würde immer ein Teil von ihr sein – vor allem weil er der erste Mensch gewesen war, der Bettys Ankunft auf dieser Welt miterlebt hatte, da Sadie zu benebelt von den Schmerzmitteln gewesen war, um zu begreifen, was gerade passierte.
Sie war sich nicht sicher, was sie von Bettys aufkeimender Beziehung zu ihrer Tante halten sollte. Thomasina wirkte so exzentrisch, und es war befremdlich, zu hören, dass sie selbst in dem kleinen Häuschen nicht willkommen war. »Sie hat nur mich eingeladen«, hatte Betty extra betont. Trotzdem hatte Sadie nicht das Gefühl, dass sie versuchen sollte, die Freundschaft zu unterbinden. Schließlich hatte sie sich für Betty immer mehr Verwandte gewünscht. Jack war Einzelkind
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