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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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dunklen, seltsamen »Silbertalgeschichten«. Der Gedanke war schon komisch, dass ihre Großmutter sich einige davon an genau dem Ort ausgedacht hatte, an dem Sadie jetzt saß.
    Sie schloss die Augen und sah Pearl vor sich, die hektisch etwas aufs Papier kritzelte, während die Kinder, gegen die Kälte warm eingepackt, in der Nähe spielten. Ein Teil von Sadie war sich vollkommen bewusst, dass sie sich in der Gegenwart befand – sie konnte Thomasina und Betty im Häuschen drüben lachen hören. Dann vernahm sie die fernen Klänge eines alten Jazz-Songs: »Ain’t Misbehavin’«. Thomasina hat wohl das Radio an, dachte sie. Als die Sonne sie immer tiefer in den Schlaf lullte, sah Sadie eine andere Szene im selben Garten vor sich, in der Pearl rauchend im weißen Schnee stand, während ihre Kinder einen Schneemann bauten.
    »Was macht Angels Schürze auf diesem Ding?« Ein gutaussehender junger Maxwell war an ihre Seite getreten. »Verflixt! Ist das kalt hier draußen! Komm doch rein, Liebling.«
    Pearl lachte. In Sadies Traum war sie sogar noch schöner als auf allen Fotos. Ihre Haut leuchtete, ihre Augen waren riesig und dunkel. Doch trotz ihrer Schönheit hatte sie etwas Hartes und Sprödes an sich. Eine Zerbrechlichkeit, wie Zweige aus Glas.
    »Ich finde, sie steht Miss Frosty viel besser, als sie ihr je gestanden hat. Und dort, wo sie jetzt ist, wird sie ihre Schürze sowieso nicht brauchen, nicht wahr, Miss Frosty? Mein Gott, Maxwell, das war doch nur ein Witz! Er hat überhaupt keinen Sinn für Humor, was, Miss Frosty?«
    »Kommt ins Haus, ihr zwei!«, rief Maxwell den Mädchen zu. »Sonst verwandelt ihr euch noch in Eisklötze.«
    Ein Vogel über ihnen stieß einen krächzenden Ruf aus. Pearl blickte zum Himmel und auch Sadie sah kurz hinauf, wo sich nackte, hexengleiche, schwarze Äste wie Arme nach oben streckten. Etwas an der Bewegung und Neigung von Pearls Hals, ihr schwarzer Bob vor dem graublauen Winterhimmel, erinnerte Sadie an die Stachelranken-Männer.
    »Liebling, nicht!« Sie hörte Maxwells erschrockene Stimme.
    Sadie stieß einen Schrei aus. Pearl kam auf sie zu, das Gesicht vor Bosheit verzerrt. Sie hielt einen Stock in der erhobenen Hand. »Wie kannst du es wagen, du kleines Luder!«, kreischte sie. »Wag es ja nicht, mich zu ignorieren. Schau mich an, wenn ich mit dir rede!« Der Stock fuhr hart auf Sadies Rücken nieder.
    Sadie öffnete die Augen. Ihr war übel und etwas schummrig. Sie saß immer noch im Garten, und vor ihr standen Thomasina und Betty und starrten sie an.
    »Mum? Ist alles in Ordnung? Du hast geschrien.« Betty wirkte verängstigt. »Hast du schlecht geträumt? Du hast Thomasinas Namen gerufen.«
    »Wirklich?« Sadie sah Thomasina an, die sie mit einem seltsamen Gesichtsausdruck beobachtete. »Ich glaube, der Wein ist mir nicht bekommen. Ich hatte einen seltsamen Traum.« Sadie richtete ihren Blick wieder auf Betty. Am liebsten hätte sie das Poet’s Cottage auf der Stelle verlassen, hätte ihre Koffer gepackt und wäre zurück nach Sydney geflogen. Sie hatte den Hass auf Pearls Gesicht immer noch vor Augen und fühlte den Stockschlag auf dem Rücken. Der Traum hatte so echt gewirkt.
    Sadie zuckte zusammen, als Thomasina plötzlich mit ihrem Gummistiefel aufstampfte.
    »Wespe«, erklärte sie. »Besser, man bringt die Mistviecher um.«
    Sadie erhob sich mit wackligen Beinen. Ich muss einen Sonnenstich haben, dachte sie. Die Wespe zappelte kraftlos am Boden und die Hälfte ihrer Innereien hing aus dem winzigen Körper heraus. Thomasina trat ein weiteres Mal auf das Insekt.
    »Besser, man bringt sie schnell um«, meinte sie nüchtern.
    Sadie spürte, wie der Boden plötzlich auf sie zugerast kam, als ihr etwas passierte, wovon sie bisher nur in Büchern gelesen hatte. Sie wurde ohnmächtig.

KAPITEL 20
Blackness House
    Sadie war sich vage bewusst, dass Betty und Thomasina ihr nach oben ins Schlafzimmer halfen und ihr das Nachthemd anzogen. Sie lag auf dem Bett und hatte das Gefühl, als schwankten die Wände des Zimmers, während ihre Tochter sie zudeckte. »Nun geht schon, lasst gut sein«, versicherte sie den beiden immer wieder, doch sie schenkten ihr keine Beachtung. Thomasina tupfte Sadies Gesicht unbeholfen mit einem feuchten Waschlappen ab. Hätte sich Sadie nicht so krank gefühlt, hätte sie über die ernste Miene ihrer Tante gelacht.
    »Ruh dich einfach aus, Mum. Wir rufen einen Arzt, damit er mal nach dir sieht.« Bettys Stimme kam von der Zimmerdecke oder von einem

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