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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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»Violet Bydrenbaugh. Die letzte Schäferin Tasmaniens. Erbin eines Vermögens, das sie wiederum ihren Schafen vermacht hat. Manchmal schläft sie in Bradley’s Cave, manchmal draußen auf der Wiese bei ihren Schafen.«
    »Und sie kommt immer noch ins Poet’s Cottage«, verkündete Sadie. Sie drehte sich zu Birdie um und der Wind peitschte ihr ins Gesicht.
    Birdie nickte. »Höchstwahrscheinlich. Zumindest das haben Sie herausgefunden. Der alte Tunnel zum Meer ist eigentlich nicht mehr sicher, aber Violet scheint nie etwas zu passieren. Sie ist bei jedem Wetter draußen auf der Straße. Im Grunde ist es ein Wunder, dass sie noch nicht überfahren wurde. Kommen Sie. Lassen Sie uns nach Hause gehen und etwas Heißes trinken. Die arme Violet bekommt sonst Angst, wir würden ihre Schafe stehlen.«
    Als die beiden Frauen wieder im Seagull Cottage saßen und an ihrem Tee nippten, beschrieb Birdie das Trauma, das Violet durchgemacht hatte. »Sie haben für ihr Gesicht alles getan, was sie konnten, aber es war so schlimm verbrannt«, erzählte sie traurig. »Ihre Stimmbänder wurden im Feuer ebenfalls zerstört. Auch ihre Arme und Hände!« Sie erschauderte bei der Erinnerung. »Die waren zu Klauen verschmolzen. Sie kam mit ihrer Mutter nach Pencubitt zurück und wurde von einigen der grausamen Kinder vom Ort als Monster gebrandmarkt. Diana versuchte, sie auf dem Anwesen zu halten, aber Violet fing an, wie eine verlorene Seele die Küste entlangzuwandern. Es brach Diana das Herz, ihre Tochter so zu sehen. Sie starb viel zu früh. Vor lauter Kummer, vermute ich. Sie war so stolz auf Violet. Und dann musste sie miterleben, wie die Kinder sie als Monster verspotteten …«
    Sadie schwieg, weil sie an ihre eigene panische Angst dachte, als sie Violet das erste Mal gesehen hatte. Sie verspürte großes Mitleid mit der Frau, zu der das Leben so grausam gewesen war.
    »Am besten, man denkt nicht zu viel darüber nach, meine Liebe«, riet Birdie ihr. »Sie ist auf ihre eigene Art glücklich. Ab und zu verliert sie ein Schaf und wir hören ihr Wehklagen. Dann schenkt ihr einer der Bauern im Frühjahr ein Lamm oder ein älteres Schaf, falls gerade keine Lämmer geboren werden, und sie beruhigt sich wieder. Die Zeiten, als sie noch jung war und von Blackness House aus die Welt regierte, mögen zwar für sie verloren sein, aber sie ist glücklich mit ihrer Schaffamilie. Vor ein paar Jahren kam sie sogar in die Zeitung und sie ist unglaublich zäh. Sie wird uns noch alle überleben! Es muss also doch was dran sein, am Leben unter freiem Himmel. Und ihre Hände sind trotz der Deformation so weich wie die eines jungen Mädchens, dank des vielen Lanolins. Aber ihr Gesicht … entsetzlich!« Sie nippte an ihrem Tee und schüttelte bekümmert den Kopf.
    »Warum um alles in der Welt ist sie nicht in Blackness House geblieben?«, wollte Sadie wissen. »Hat sie nicht das Anwesen geerbt, als ihre Mutter starb?« Sie konnte nur schwer nachvollziehen, weshalb eine Frau eine Höhle oder Koppel der weitläufigen Herrlichkeit von Blackness House vorziehen sollte. Ihr fiel die Stelle in Netzespinnerin wieder ein, wo Violet darüber gespottet hatte, wie es sei, in einem zugigen Mausoleum zu wohnen – doch es konnte schließlich nichts Zugigeres als eine Höhle geben, die zum Meer hin offen war.
    »Ja, aber sie zog auch dann noch weiterhin durch die Gegend und schlief draußen. Gracie kam in Kauflaune in die Stadt, und es gelang ihr, Blackness House für einen Appel und ein Ei zu erwerben. Es gibt Gerüchte, dass sie noch ein paar Schafe dazugegeben hat, um den Handel klar zu machen. Diese Frau wirkt zwar ein bisschen schusselig, aber sie ist gerissen wie noch was! Ich kann sie nicht ausstehen, wenn Sie meine ehrliche Meinung hören wollen. Außenstehende sollten nicht fast eine ganze Stadt aufkaufen. Das treibt die Preise in die Höhe, und junge Leute können es sich nicht mehr leisten, in ihrem eigenen Heimatort zu bleiben!«
    »Ich versteh es trotzdem nicht«, wandte Sadie ein. »Violet war so ein verhätscheltes und behütetes Mädchen. Weshalb sollte sie ein solch raues Leben wählen?«
    In Birdies Augen glitzerte eine Gefühlsregung, die Sadie nicht entziffern konnte. »Buße«, erwiderte sie.
    Es folgte eine Stille, während der Sadie sich fragte, was die alte Frau wohl damit meinte.
    »Ich habe hier etwas für Sie«, erklärte Birdie. »Violet hat es mir geschickt, kurz nachdem wir Pearl beerdigt haben. Ich hatte damals keine Ahnung, was ich

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