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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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glaube nicht, dass das ihrem Charakter gutgetan hat, denn sie hielt sich für die Königin von Saba und kam immer ungestraft davon. Sie hat Dad um den kleinen Finger gewickelt. Ich empfand meinen Vater als eher grausamen Mann, der sehr launisch war und auch nicht zögerte, seine Stiefel, Fäuste oder den Gürtel zu benutzen, wenn wir nicht gehorchten. Und das selbst dann, wenn wir brav waren, wenn Sie verstehen, was ich meine, Miss Birdie. Ich kann mich jedoch nicht daran erinnern, dass Pearl je Prügel bezogen hätte.
    Mein Vater, Dennis Whistler, brachte uns alle aufgrund einer Regierungsinitiative aus England hierher. Unsere Mutter Mary, die mit Mädchennamen Browning hieß, verstarb kurz nach der Reise unter tragischen Umständen. Ihr Säugling verschwand unterwegs vom Schiff – man glaubt, er ist über Bord gefallen, ohne dass es jemand bemerkt hat. Man durfte ihn Mum oder Dad gegenüber nie erwähnen, ohne dafür Prügel zu bekommen. Als ich älter wurde, habe ich mich oft gefragt, ob ich wohl irgendwo einen Bruder habe, der damals von einem anderen Passagier entführt wurde. Meine Mutter nahm sich aus lauter Kummer über das Verschwinden des Babys das Leben, und um Dads Launen zu entfliehen. Zumindest machte Dad eines Abends, als er mal wieder betrunken herumbrüllte, eine solche Andeutung. Er behauptete, unsere Mutter hätte das absichtlich getan, um ihm zu entkommen. Er sagte, Mum wäre nicht ganz richtig im Kopf gewesen, aber ich war immer überzeugt davon, dass Dad sie durch irgendeine Grausamkeit, von der niemand je etwas erfahren würde, zu dieser verzweifelten Tat getrieben hat.
    Ich weiß nichts über den englischen Teil unserer Familie. Ich habe mich auch nie sonderlich für sie interessiert. Die sind einfach zu weit weg! Falls sie uns irgendwie ähnlich waren, dann würde ich sowieso nicht viel mit ihnen zu tun haben wollen. Dad meinte ein paar Mal, dass er beide Elternpaare nicht ausstehen könnte, die von Mutter und seine eigenen, aber ich weiß nicht, warum. Es war bei uns zu Hause nicht ratsam, Fragen zu stellen.
    Was Ruth betrifft, sie ist eine Zigeunerin, und ich habe sie aus den Augen verloren. Wir sind beide keine großen Schreiber. Wie gesagt, wir standen uns in unserer Familie nicht sonderlich nahe, auch wenn es schön wäre, das Kriegsbeil zu begraben. Sollten Sie Ruth ausfindig machen, bitte geben Sie ihr doch meine Adresse. Wir haben versucht, sie zu kontaktieren, als Pearl starb, jedoch ohne Erfolg. Sie hat Pearl nie gemocht, aber sie hätte ihr trotzdem sicher gerne das letzte Geleit gegeben.
    Ich war der älteste von uns Kindern, und mein Vater hasste mich. Ruthie war die Mittlere, die er gar nicht beachtete. Ich nehme an, sie fiel in keiner Weise auf. Für Pearly hätte er alles getan – doch seine Liebe hatte für mich etwas Unappetitliches. Er behandelte sie wie andere Männer ihre Frauen. Wie ich schon sagte, es war dabei sicher nicht zuträglich, dass sie Mum so ähnlich sah. Beide waren sehr glamouröse Frauen. Ich habe nichts von ihrem Äußeren geerbt, leider. Und Ruthie war ebenfalls ein bisschen unansehnlich.
    Sie haben mich gefragt, was ich über Mutter weiß. Sehr wenig, muss ich gestehen. Ich glaube, ich kann mich noch daran erinnern, dass sie mir abends am Bett Geschichten vorgelesen hat. Sie hatte so ein hübsches ovales Gesicht und langes dunkles Haar, das sie immer hochsteckte. Sie lachte viel, aber vor allem habe ich sie weinend in Erinnerung. Wenn ich mit ihr die Straße entlangging, drehten sich die Leute nach ihr um. Sie war anders als normale Menschen. Sie konnte sehr witzig sein. Sie dachte sich ein Puppentheaterstück aus und spielte selbst alle Figuren, doch ansonsten erinnere ich mich an diese ersten Jahre in England nur bruchstückhaft – Schnee, schreiende Menschen, und dass mein Vater meine Mutter einmal mit dem Gürtel schlug, bis ihr das Blut übers Gesicht lief. Der Herrgott allein weiß, worum es dabei ging.
    Was unsere Kindheit betrifft – auch da kann ich nicht viel sagen. Das Geld war immer knapp. Wenn mal etwas übrig war, vertrank oder verspielte Dad es beim Pferderennen, aber das nehme ich ihm nicht übel. Uns alleine großzuziehen war sicher kein Vergnügen, nicht wahr? Ich habe selber nichts gegen einen Drink oder die Pferdchen einzuwenden.
    Wir lebten in Hobart, im Stadtteil Bellerive, der damals nicht annähernd so schick war wie heute. Dad in einem Zimmer und wir drei im anderen. Wir Kinder verstanden uns damals recht gut, auch wenn

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