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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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wollen wir mit Sicherheit wissen, was wirklich stimmt und was nicht?«, fragte Sadie. »Ich bin so durcheinander. Wir haben nichts weiter als unterschiedliche Versionen der Ereignisse.« Sie hatte ein schlechtes Gewissen, ihre Tochter so verstört zu sehen. Jack hatte sie gewarnt, nicht zu tief in der Vergangenheit zu bohren wegen der sprichwörtlichen Leichen im Keller, auf die sie stoßen könnte. »Für uns ist es einfach, hier zu sitzen und zu beurteilen, was in jener Nacht richtig oder falsch war. Aber woher wollen wir wissen, ob wir uns nicht ganz genauso verhalten hätten?«
    »Ach, komm schon, Mum! Würdest du eine junge Frau ins Meer werfen?«
    »Vielleicht würde ich das. Wenn ich davon ausginge, dass sie schon tot ist, und ich betrunken wäre und auf Mord die Todesstrafe steht. Es ist schwierig, jemanden aus einer anderen Zeit zu verurteilen.«
    Betty warf ihr einen ungläubigen Blick zu. »Woher wollen wir wissen, dass Violets Verbrennungen ein Unfall waren?«, meinte sie. »Was, wenn Pearls Mörder ihr Zimmer abgefackelt hat, um sie zum Schweigen zu bringen?«
    »Wieso zum Schweigen?«
    »Mum? Bist du wirklich so blind? Um zu verhindern, dass sie über Angels Tod spricht! Nachdem Teddy und Pearl tot waren, wer blieb da noch übrig, der davon wusste? Maxwell und Violet. Das ist es! Maxwell ist der Mörder!«
    Sadie merkte, wie sich ihr Magen krampfhaft zusammenzog. »Wie bitte?« Sie starrte ihre Tochter an und geriet unweigerlich ins Wanken. »Du glaubst wirklich, Maxwell könnte es getan haben?«
    »Aber total!« Betty ließ sich aufs Bett fallen, setzte sich aber sogleich mit Detektivmiene wieder auf. »Er hatte ein Motiv, und du weißt doch, dass man diese sanften, raffinierten Typen, die kein Wässerchen trüben können, immer im Auge behalten sollte. Vermutlich war er vom Typ Jekyll und Hyde, der jahrelang vor sich hin geköchelt hat, während sich in seinem Inneren diese geheime Wut aufgestaut hat. Jeder weiß doch, dass Erstechen ein Verbrechen aus sexueller Leidenschaft ist!«
    »Ach ja?« Sadie wunderte sich über das Wissen ihrer Tochter, zu dem zweifelsfrei eine große Anzahl an Fernsehkrimis beigetragen hatte.
    »Mum! Er hat es getan und Birdie deckt ihn! Sie hat das Geständnis all die Jahre aufgehoben, um ihn zu schützen! Ich weiß einfach, dass er’s getan hat. Das sagt mir mein Bauchgefühl. Es ist oft derjenige, den man am wenigsten verdächtigen würde«, schloss Betty zufrieden und wiederholte damit unwissentlich Gracies Worte.
    »Alle scheinen ihn verdächtigt zu haben!«, wandte Sadie ein. Sie schwieg eine Weile, während sie Violets Geständnis noch einmal las. »Oder« – Sadie bereitete sich auf ihre eigene instinktive Schlussfolgerung vor – »Birdie ist die Mörderin! Sie steckt hinter alledem und hat Pearl ganz geschickt mit ihrer Netzespinnerin verleumdet. Sie hatte ein Motiv, sie war bis über beide Ohren in Maxwell verliebt, also musste sie Pearl aus dem Weg schaffen.«
    »Vielleicht …« Betty wirkte nicht sonderlich überzeugt. »Es ist aber schwer vorstellbar, wie Birdie Pinkerton aus eifersüchtiger Wut heraus mehrmals auf jemanden einsticht, Mum. Sie sieht aus, als würde schon ein Windhauch sie umwehen.«
    »Damals war sie wesentlich robuster, und sie ist auch jetzt noch eine ziemlich resolute alte Dame.« Sadie musste wieder an Birdies stahlharten Blick denken. »Ich würde es mir nur ungern mit ihr verscherzen.«
    »Jetzt bräuchten wir Jean, das Medium! Ich wette, sie hätte alle Antworten parat!«, verkündete Betty. »Es ist so frustrierend, wie wenn man ein Buch verliert, bevor man es ausgelesen hat.«
    »Nun ja, das hier ist das richtige Leben, Betty, und manchmal ist das Leben eben ein Rätsel.«
    Unten an der Haustür erklang lautes Klopfen, und Betty zuckte erschrocken zusammen. Sadie sah auf die Uhr – es war zehn Uhr abends, aber es hätte genauso gut Mitternacht sein können. Wer könnte das um diese Zeit noch sein?
    »Sadie? Hallo?«
    Sadie ging zum Fenster. Unten standen drei Gestalten.
    »Sadie? Ich bin’s, Maria! Ich habe Simon und Gracie dabei. Kannst du uns reinlassen? Es ist wichtig! Gracie muss dir was sagen.«
    Erstaunt blickte Sadie ihre Tochter an. »Was wollen die denn?«, zischte sie ihr zu. »Ist Gracie jetzt komplett verrückt geworden? Und auch noch Simon? O nein, so wie ich aussehe!« Sie hatte ihren Bademantel an, dazu umrahmten ein paar Lockenwickler ihr Gesicht, um ihre kurzen Haaren ein wenig in Form zu bringen.
    »Sadie? Es

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