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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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Sadies Hilfsangebot ab. »Nein, es geht schon, Liebes.« Sie ging zur Anrichte hinüber, wo sie eine Schublade öffnete und ein moosgrünes Fotoalbum herausnahm. Dann setzte sie sich neben Sadie aufs Sofa und legte das Album auf ihre Knie.
    »Also«, meinte sie, während sie die Seiten durchblätterte, »wo sind wir? Ah – da!«
    Sadies Herz setzte einen Schlag aus, als sie die Bilder ihrer Großmutter sah. Da war sie im Badeanzug mit einem kurzen Rock darüber, einen riesigen Sonnenhut auf ihrem glatten Haar, und warf sich auf dem unverkennbaren Shelley Beach fürs Foto in Pose. Neben ihr saß ein gutaussehender junger Maxwell und lächelte hinauf in die Kamera. Lächelte er Birdie an, die das Foto aufgenommen hatte? Thomasina und Marguerite mit ihren Zöpfen und Schwimmreifen waren von Eimern, Schaufeln und Puppen umgeben. Es sah aus wie das Bild einer glücklichen Familie.
    »Fotos lügen«, sagte Birdie, als hätte sie Sadies Gedanken gelesen. »Ich erinnere mich noch so genau an diesen Tag. Pearl hatte eine ihrer Launen, weil sie zu Hause sein und schreiben wollte – oder, was wahrscheinlicher war, darauf versessen war, Teddy oder irgendeinen anderen Mann zu treffen –, und Maxwell hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht, indem er auf einem Familientag am Strand bestand.«
    Sadie hörte eine seltsame Stimme in ihrem Kopf: Ein Familientag mit dir, Birdie. Der Frau, die schließlich mit Maxwell zusammenkam . Es war fast, als sei der Gedanke nicht Sadies eigener gewesen. Sie sagte: »Teddy? Meinen Sie Edward Stephens?«
    »Ja, Edward, aber wir haben ihn alle Teddy genannt. Der Fischer, dem das Denkmal im Dorf gewidmet ist. Wie die meisten Männer und Frauen in Pencubitt über dreißig war auch er völlig vernarrt in Pearl. Und sie erwiderte seine Leidenschaft.« Birdie beugte sich mit blitzenden Augen vor. »Sie hatte eine Affäre mit ihm, von der Maxwell wusste. Es hat ihn fast kaputtgemacht, den armen Kerl.«
    Und darum hat er sich an dich gewandt, Birdie. Pearls tolle Freundin, die nur zu gerne bereit war, deren Mann zu trösten. Sadie versuchte, die Stimme in ihrem Kopf zu ignorieren und blätterte im Fotoalbum herum. Es fiel ihr schwer, nicht auf die wenigen Aufnahmen, die Marguerite als Kind zeigten, zu reagieren. Sie hatte einen Kloß im Hals, und die Tränen in ihren Augen verschleierten ihr einen Moment lang die Sicht. Als sie aufblickte, merkte sie, dass Birdie sie mitfühlend ansah.
    »Nehmen Sie das Album zum Anschauen mit nach Hause. Es gibt nur ein paar Bilder von den Mädchen. Damals hat niemand viel fotografiert. Die meisten Leute konnten sich keine Kamera leisten, aber irgendwie ist es Pearl immer gelungen, an Luxusgüter zu kommen. Bitte passen Sie gut darauf auf«, bat Birdie. »Ich habe auch noch etwas anderes für Sie.« Sie stand wieder auf, schloss den unteren Schrankteil der Anrichte auf und holte einen Karton hervor. »Das hier könnte Ihnen bei Ihrer Recherche helfen. Es ist das Manuskript von Netzespinnerin .«
    »Aber ich habe Die Netzespinnerin doch schon ge–«, setzte Sadie an.
    »Das hier ist das Original. Sie werden eine Menge Änderungen finden.« Birdie streichelte mit ihrer runzligen Hand, die von Altersflecken übersät war, über den Kartondeckel. »Der Verlag hat darauf bestanden – sie waren mit der Originalversion der Ereignisse nicht zufrieden. Es ist eine Rohfassung, also seien Sie gewarnt. Einige Schimpfwörter. Völlig unüberarbeitet.« Ein weiterer spitzbübisch listiger Blick, und dann ging der Karton in Sadies Hände über. Es war, als seufze die Luft.
    Sadie drückte auf dem Heimweg das Manuskript fest an die Brust und bewunderte den Mond, der sein Licht über das gesamte Städtchen ergoss. Er war noch nicht ganz voll, aber sein Leuchten machte die altmodischen Gaslampen entlang der Straße unnötig. Die Luft prickelte vor Kälte und Sadie atmete ganz tief ein, denn sie genoss es, wie ihr Zwerchfell sich mit der reinen Luft ausdehnte. Sie blieb stehen, um die High Street zu bewundern. Nächtlicher Nebel verhüllte die lange Reihe der historischen Häuser, die sich die kurvige Straße hinunter bis zum schwarzen Meer zogen. Mit den altmodischen Straßenlaternen und den Ladenfronten wirkte die Szenerie wie aus einem englischen Dorf. Von einem großen, schönen georgianischen Haus miaute ihr eine Katze freundlich zu.
    »Hallo, Mieze«, begrüßte Sadie sie. »Sei nur schön vorsichtig auf der Straße!«
    »Sie sind aber spät noch unterwegs.«
    Eine

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