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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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Ja, Jackie war jung, mit strahlendem Teint, blauen Augen und silberblonden Haaren, die ihr bis zur Taille reichten – aber Jack zusammen mit einer Frau, die ihren Menstruationsfluss feierte? Eine Frau, die sich nach den Mondzyklen richtete? Wie wenig sie doch ihren Exmann wirklich gekannt hatte! Wenn es sich hierbei um seine Midlife-Crisis handelte, dann ging diese jedenfalls mit einer drastischen Persönlichkeitsveränderung einher. Jack, der immer von Immobilien und materiellen Gütern besessen gewesen war, sollte sich in eine schillernde Hippiemeerjungfrau verliebt haben, die Peter Singer und den Propheten im selben Atemzug zitierte? Wäre es nicht so schmerzhaft gewesen, dann könnte es zum Brüllen komisch sein.
    Oben wurde weiter energetisch gereinigt. Jackie ließ sich offensichtlich Zeit, und sosehr sie sich auch dagegen wehrte, verspürte Sadie einen Hauch von Zuneigung der jungen Frau gegenüber. Es war irgendwie liebenswert, dass Jackie so ernsthaft an die New-Age-Theorien glaubte, nach denen sie lebte.
    Ein Blick auf den Wandkalender in der Küche erinnerte Sadie an ihren nahenden Abgabetermin für ein Reisemagazin in Sydney. Bei allem, was um sie herum passierte, war es schwierig, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, doch sie musste sich zwingen. Sie versuchte sich an einem prägnanten, informativen Artikel über Witwenspinnen, Trichternetze, Nacktschnecken und Kakerlaken in den Hinterhöfen der Innenstädte. Die nächsten beiden Stunden verbrachte sie im Schlafzimmer an ihrem Laptop. Obwohl Jackie ihr versichert hatte, dass sie den Raum nun »gereinigt« hatte und Sadie deshalb produktiver würde arbeiten können, stellte Sadie keinerlei Unterschied fest. Jackie erklärte ihr außerdem, sie hätte Sadies Bett ein kleines Stück verschoben, um mehr Leidenschaft in Sadies Leben zu locken. Wie fürsorglich, dachte Sadie – und welche Ironie, wenn man bedachte, dass schließlich Jackie mit Sadies Ehemann durchgebrannt war.
    Während Sadie arbeitete, zog Jackie weiter durchs Haus. Ihr fiel auf, dass einige Zimmer leichter zu reinigen waren als andere, doch überall häuften sich die energetischen Überreste wie Seetangstränge. Es war Jackies Pflicht, diese Stränge zu beseitigen. Sie glaubte fest daran, dass sie mit Sadie und Betty karmisch verbunden war. Ihre Aufgabe war es, den Schmerz wiedergutzumachen, den sie den beiden zugefügt hatte, als sie sich in Big Bear, wie sie Jack nannte, verliebte.
    Space Clearing war eine Fähigkeit, auf die Jackie sehr stolz war. Sie besaß starke übernatürliche Kräfte und konnte seelischen Müll, Chaos und negative Energie schon riechen, wenn sie einen Raum betrat. Sie hatte in Singapur bei einer der weltbesten Space-Clearing-Expertinnen gelernt. Zugegeben, viel Übung hatte sie nicht darin, denn Light Vibrations, das Unternehmen, das sie mit einer Freundin in Sydney aufgezogen hatte, war eingegangen, als die Freundin sie übers Ohr gehauen hatte. Das Poet’s Cottage war eine enorme Herausforderung – ganz offensichtlich spukte es in dem Haus –, doch sie schuldete Sadie zumindest einen Versuch. All das hatte sie Jack am Morgen ganz ernsthaft erklärt, doch er hatte nur auf die Art und Weise gegrunzt, die ihm den Spitznamen Big Bear eingebracht hatte (zusammen mit seinen braunen Augen, seinem knuffigen Wesen, seinem runden Bauch und seiner Vorliebe für Honig).
    Jackie musste zugeben (sosehr sie auch nur den leisesten negativen Gedanken hasste, denn was erschuf man damit für eine Realität?), dass Big Bear nicht wirklich er selbst war, seit sie nach Pencubitt gekommen waren. Jackie ahnte, dass er immer noch Gefühle für seine Exfrau hegte. Das war nachvollziehbar: Für ihr Alter war Sadie eine schöne Frau und von Natur aus elegant, selbst mit den abgeschnittenen Haaren. Im Vergleich zu ihr fühlte Jackie sich oft linkisch und unbeholfen.
    Als sie auf einmal ihr eigenes Spiegelbild im Esszimmerspiegel erblickte, zuckte Jackie zusammen. Einen Moment lang hatte sie sich für einen Geist gehalten, so blond und blass wirkte sie im dämmrigen Licht.
    »Wie läuft’s?« Jack kam hereinspaziert, nachdem er Betty abgeliefert und wahrscheinlich in einem Café haltgemacht hatte, um die Wirtschaftsnachrichten zu lesen.
    Sie gebot ihm, still zu sein, und nahm ihr Glockenklingeln und Händeklatschen wieder auf. Ja, in der Ecke da hockte ein mieser, muffiger Energieklumpen, der vor sich hin faulte und sich an die Wände klammerte wie ein Kind, das starr vor Angst war. Sie

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