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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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Blick zu, die ihm eine Grimasse schnitt.
    Sadie sah zu, wie die beiden miteinander an ihrem Küchentisch schäkerten. Wie hatte es mit ihrem Leben nur so weit kommen können? Sie vermisste die Zeit als Familie mit Jack, Betty und Marguerite. So vieles hatte sie als selbstverständlich betrachtet und geglaubt, ihre Familie würde ewig halten. Es war ein Leichtes, sich ein ähnliches Szenario in genau dieser Küche mit Pearl, Maxwell und Birdie vorzustellen. Auch sie hatten geglaubt, unzerstörbar zu sein, hatten ihre Freundschaft, Gesundheit und Familie als selbstverständlich betrachtet. Nun lagen zwei von ihnen auf dem Friedhof, und die dritte war allein mit ihren Erinnerungen.
    »Im Keller stinkt es fürchterlich«, sagte Jack gerade. »Vielleicht eine tote Ratte. Den solltest du wirklich mal säubern lassen, Sadie. Womöglich ist es was Gesundheitsschädliches. Man kann es auch in anderen Teilen des Hauses riechen, ist dir das nicht aufgefallen?«
    Bebend vor Wut ignorierte ihn Sadie und ging hinauf in ihr Schlafzimmer, auf der Suche nach etwas Ruhe und Frieden. Dort legte sie sich aufs Bett, schloss die Augen und versuchte sich zu entspannen.
    »Mum?« Betty betrat das Zimmer und ließ sich neben ihr auf dem Bett nieder. »Mum, ist alles in Ordnung?«
    Sadie drehte sich um und streckte ihrer Tochter die Arme entgegen. »Warum hast du mir denn nichts gesagt?«, wollte sie wissen. »Warum hast du zuerst deinem Vater geschrieben? Kann man mit mir so wenig sprechen?«
    »Er hätte dir die E-Mail nicht zeigen sollen!«, verteidigte sich Betty. »Das war eine persönliche Nachricht von mir an ihn. Ich werde ihm so etwas nie wieder anvertrauen. Ich kann gar niemandem trauen! Ich hasse es, wie ein Kind behandelt zu werden!«
    Sie rauschte aus dem Zimmer, und Sadie gab ein Stöhnen von sich. Es war einfach alles zu viel: die schreckliche neue Frisur, die erniedrigende Begegnung mit diesem missbilligenden Mann, und Jack samt Jackie, die hergekommen waren, um ihr ihre Tochter wegzunehmen.
    Dann war da noch der Gestank im Keller. Jack hatte recht – auch ihr war ein leicht fauliger Geruch in anderen Räumen aufgefallen. Sie hatte ihn auf ein totes Tier unter den Dielenbrettern geschoben und auf kindische Weise versucht, ihn zu ignorieren, weil sie nicht wollte, dass irgendein Aspekt ihres Neuanfangs in Pencubitt negativ war. Aber natürlich musste Jack so etwas gleich zur Sprache bringen.
    Wenigstens wusste er nichts von den schlimmen Träumen, die sie jede Nacht heimsuchten. Obwohl sie sich bei Tageslicht kaum noch daran erinnern konnte, war das bedrohliche Gefühl, das mit ihren Alpträumen einherging, überwältigend. Seit sie begonnen hatten, schien es Sadie, als sickerten sie langsam auch in ihren Alltag hinein; sie fühlte sich stets leicht beklommen und beobachtet – als hätten die Wände Augen, und sie wäre bedroht.
    Sadie lag bäuchlings auf dem Bett und wünschte sich, sie könnte die Uhr zu einer Zeit zurückdrehen, in der sie sich glücklich und umsorgt gefühlt hatte. Die Worte von Pearls Grabstein hallten in ihrem Kopf nach: Der Ruf des Blutes wird ihn verfolgen bis zu seinem schrecklichen, aber gerechten Urteil . Könnte dies der Grund für ihre Alpträume sein und dafür, dass sie sich so verunsichert fühlte? Sann Pearls Geist auf Rache? Wenn es einen Ort gab, an dem es spukte, dann doch sicher im Keller des Poet’s Cottage. Sadie hatte ihre Gäste unten völlig vergessen, so versunken war sie in die Vergangenheit.
    Dunkelheit senkte sich auf das Haus. Lichter wurden eingeschaltet, und das Trio in der Küche machte angestrengt Konversation. Vor allem Jackie sah immer wieder zum Keller hin. Mit Einbruch der Nacht schien es, als sei ein großer Schatten auf das Haus gefallen. Die Bewohner beschlich ein vages Gefühl, dass sie dort vielleicht nicht so willkommen waren, wie sie angenommen hatten. Immer wieder drangen leise Geräusche aus dem Keller herauf, bei denen Jack verärgert den Kopf schüttelte.
    »Verdammte Ratten. Ich werde Fallen aufstellen müssen. Am besten sollte ich gleich runtergehen und mich umsehen.«
    Sie wussten alle, dass er die lange Holztreppe nicht vor dem Morgen hinuntersteigen würde. Es war, als habe ein Wesen vollkommen vom Haus Besitz ergriffen. Jedes Knarren, jeder Vogelruf, jedes Klopfen auf dem Dach und Klappern der alten Fensterläden war eine Warnung, sich bloß nicht zu sicher oder behaglich zu fühlen. Selbst Jack, der jeglichen Glauben an Geister ganz offen verspottete,

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