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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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zu der sie gekommen war, im Manuskript herum und las weiter.

KAPITEL 17
Teddy
Pencubitt, Juni 1936
    Ich würde Victor heiraten. Er wusste zwar noch nichts davon, aber das war mein Vorsatz fürs neue Jahr. Er war meine Fahrkarte weg aus Pencubitt, weg von Mutter und Father Kelly. Ich würde ein Zuhause für uns beide schaffen und so sehr mit Haushaltspflichten beschäftigt sein, dass ich nicht länger an Maxwell denken würde. Es war ein guter Plan, ein sicherer Plan. Wie anders mein Leben verlaufen wäre, wenn ich ihn hätte umsetzen können. Wie arrogant von mir zu glauben, ich hätte irgendeine Kontrolle über mein Schicksal.
    Als ich Maxwells Nachricht erhielt, las ich sie viele Male und verspürte dabei das vertraute Gefühl schmerzhafter Sehnsucht. Ich zwang mich dazu, seine Einladung zu ignorieren. Die Freundschaft zu den Bewohnern von Poet’s Cottage weiter zu pflegen konnte nichts Gutes bringen. Im Lauf der Zeit, sobald ich mit Victor verheiratet und in Sicherheit war, würde ich Maxwell vergessen. In Tagträumen malte ich mir sogar das Haus aus, das wir uns in Melbourne kaufen würden – mit all den modernen Annehmlichkeiten, von denen ich in der Zeitung gelesen hatte. Ich glaube, Victor und ich hätten tatsächlich geheiratet, wenn die Ereignisse sich anders entwickelt hätten. Stattdessen wurde er Kassierer bei einer Bank in Sydney. Er starb mit Anfang sechzig, erschossen während eines Raubüberfalls, und hinterließ eine Frau und drei erwachsene Kinder.
    Es war ein Donnerstag. Ich hatte die Nacht zuvor wegen eines Gewitters schlecht geschlafen. Strömender Regen, Blitz und Donner hatten mich stundenlang wach gehalten. Auch Mutter hatte nicht gut geschlafen, und um ihrer miesen Laune zu entkommen, beschloss ich, mit Snowy einen erfrischenden Morgenspaziergang am Strand zu machen. Als ich die Docks erreichte, sah ich dort den weißen Transporter des Krankenhauses und die aufgeregte Menschenmenge ringsherum. Meine Schritte beschleunigten sich, je näher ich kam, im Takt mit meinem Herzschlag. Ich dachte an so etwas wie einen Herzinfarkt oder sogar einen Haiangriff. Auf den Anblick von Teddy, der da am Boden lag, war ich nicht vorbereitet. Dr. Nettles stand mit gesenktem Kopf neben ihm.
    Mir war sofort klar, dass der Arzt gar nicht erst versuchen musste, ihn wiederzubeleben. Teddy war ganz eindeutig tot. Ich habe nie etwas Erschreckenderes gesehen als seine Leiche, mit seinen vom Meer und Meeresgetier halb weggefressenen Augen, die aus leeren Höhlen in den Himmel starrten. Ein überraschter Ausdruck lag auf seinem Gesicht, als könnte er kaum glauben, wo er sich befand. Seine Haut hatte eine blaugraue Färbung, und Tang schlang sich um seine Hände, seinen Kopf und seine Beine. Ich sah, dass von den Fingern seiner linken Hand nur noch blutige Stumpen übrig waren, als hätte irgendein großer Fisch sie abgenagt. Einige der Frauen weinten. Andere standen bloß stumm da. Die Männer hatten ihre Mützen abgenommen.
    »Da sitzt ein Krebs in seiner Nase!«, rief ein kleiner Junge, der dafür eine Kopfnuss von seinem Vater erntete.
    Einige Fischer standen in der Nähe mit dem Ortspolizisten zusammen, Victors Vater George Watson, der sich Notizen machte. Wir hatten Teddy alle gekannt. Sein Bruder Arthur hockte bei seinem Boot, der Siren’s Tresses, den Kopf in den Händen vergraben, und eine Frau versuchte, ihn zu trösten.
    Plötzlich fuhr eine schreiende Furie in die versammelte Menschenmenge hinein. Es war Pearl, unter deren Négligé aus Crêpe de Chine ihre nackten Füße hervorschauten. »Wo ist er?«, rief sie. Ein Raunen ging durch die anwesende Schar – ob missbilligend oder mitfühlend, konnte ich nicht sagen. »Teddy! Bitte stirb nicht, bitte verlass mich nicht!« Sie warf sich auf die Wasserleiche und bedeckte sein Gesicht mit Küssen, als könnte sie ihn damit aus seinem Todesschlaf erwecken.
    Eine Frau aus der Menge johlte bei ihrem Anblick. Einige Männer versuchten Pearl wegzuziehen, doch sie wurde nur noch hysterischer, trat wild um sich und brüllte sie an, sie sollten sie mit ihrem Liebsten alleine lassen. Dass er aufwachen würde, dass er aufwachen musste, dass er nur so täte, als ob. »Ich liebe dich«, schluchzte sie immer wieder. »Und du liebst mich auch, Teddy. Bitte, tu mir das nicht an. Tu mir das nicht an.« Als Teddy nicht reagierte, legte sie den Kopf in den Nacken und stieß das Heulen eines wilden Tieres aus. »Fahr zur Hölle, Gott! Ich hasse dich!«
    Ich musste etwas

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