Dornentöchter
entfernt lag, war es ein malerisches Plätzchen für eine kulinarische Pause, und mehrere Leute hatten sich nach ihrem Marktbesuch bereits dort niedergelassen. Sadie fand trotzdem noch eine freie Bank und genoss die Aussicht, bis Maria mit zwei Bechern Kaffee und Karottenkuchen erschien.
»Ich bin gerade Simon über den Weg gelaufen.« Maria stellte die Getränke und den Kuchen auf den Tisch. »Ich habe ihn eingeladen, sich zu uns zu gesellen, aber er muss Liam zu einem Freund bringen. Ist vermutlich auch besser so, denn das, worüber ich reden will, hat mit ihm zu tun.«
»Keine Kuppeleien mehr, Maria!«, protestierte Sadie.
»Sadie, ich weiß, dass Simon mir sehr böse wäre, wenn er wüsste, was ich jetzt sage, weil er nicht gerne über Privates spricht, aber ich kann nicht einfach zusehen, wie Gary sich mit seinem schmierigen Charme an dich ranschmeißt, ohne dir zu erklären, weshalb ich ihn so wenig mag.« Sie sah sich um, um sicherzugehen, dass niemand mithörte, ehe sie fortfuhr: »Das mit gestern Abend tut mir furchtbar leid. Ich konnte kaum schlafen, weil ich dauernd daran denken musste, wie du dich wohl gefühlt hast, und wie Simon und ich auf dich gewirkt haben müssen. Wie ich gestern Abend schon sagen wollte, war Clare eine gute Freundin von mir. Gary hat sie total umgarnt, und um es kurz zu machen, sie ist ihm auf den Leim gegangen. Sie hatte zu der Zeit Probleme mit Liam, Simon arbeitete unheimlich viel, und Clare, Gott hab sie selig, war ein sehr hilfsbedürftiger, unsicherer Mensch.«
Maria biss in ihr Kuchenstück. Ihr Blick wurde hart, als sie die schmerzhaften Erinnerungen noch einmal durchlebte. »Als bei Clare der Krebs diagnostiziert wurde, war die Hölle los. Simon war bereit, alles für sie zu tun, aber sie hat ihm einen doppelten Schlag verpasst, indem sie ihm ihre Affäre gestand und verkündete, sie werde ihn wegen Gary verlassen.«
»Sag jetzt nicht, Gary hat sie abserviert?« Sadie war ehrlich erschüttert, auch wenn sie der Frau nie begegnet war.
Maria nickte. »Volltreffer. Er bandelte mit Prinzessin Venus an, denn eine Frau, die mit dem Krebs kämpft, hatte für ihn keinen Reiz mehr, nehme ich mal an. Ich weiß, ich darf Gary nicht für Clares Tod verantwortlich machen, aber wenn er sie nicht so brutal hätte fallen lassen, hätte sie vielleicht ein bisschen mehr Kraft gehabt, um sich gegen die Krankheit zu wehren. Sie starb nur wenige Monate nach der Diagnose.«
Maria traten die Tränen in die Augen und Sadie streichelte die Hand ihrer Freundin. Maria kramte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch, um sich die Nase zu putzen, trank ihren Kaffee aus und stand auf.
»Ich muss gehen. Allister und ich wollen noch nach Burnie in den Baumarkt. Allister hat ja gemeint, ich soll mich nicht einmischen, aber ich betrachte sowohl dich als auch Simon als gute Freunde. Ich hoffe, ich bin dir nicht zu nahe getreten, Sadie?«
Sadie versicherte ihr, dass sie Marias Sorge zu schätzen wusste, und bedankte sich für ihr Vertrauen.
Nachdem Maria gegangen war, trank Sadie langsam ihren Kaffee aus und dachte über Marias Geschichte nach. Nun verstand sie Simons und Marias Feindseligkeit, als es um Gary ging, und Simons abweisende Haltung ihr gegenüber.
Auf dem Rückweg zum Markt fiel auch ihr Bettys Abneigung gegen den Zahnarzt wieder ein. Meine eigene Tochter hat ein besseres Gespür für Männer als ich, dachte sie. Als sie zwischen den Ständen hindurchschlenderte, meldete sich ihr schlechtes Gewissen, dass sie eine Begegnung mit Simon vorhin bewusst vermieden hatte. Hoffentlich würde sie dem Schulleiter mit der strengen Miene noch mal über den Weg laufen, damit sie wenigstens hallo sagen konnte. Was für schreckliche Dinge hatte er durchgemacht! Sadie wusste nur zu gut, wie schmerzhaft es war, wenn sich der Partner in jemand anderen verliebte. Sie traf jedoch nicht Simon, sondern den Don Juan höchstpersönlich, als sie gerade an einem Stand originelle Muschelfigürchen betrachtete.
»Hallo, schöne Frau!« Gary hatte eine Kiste mit Gemüse im Arm und trug Freizeithosen zu einem langärmeligen schwarzen Shirt. »Sie sind eine absolute Augenweide. Lust auf einen Kaffee?«
»Ich habe gerade erst mit Maria einen getrunken und wollte gleich gehen«, erwiderte Sadie kühl.
Gary sah sie prüfend an, als er ihren Tonfall registrierte. »Ich wette, Maria hat Ihnen den ganzen hiesigen Tratsch aufgetischt«, meinte er gereizt. »Hab ehrlich gesagt nichts anderes erwartet. Dank der großen
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