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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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schweigenden Mr Stephens zusammen und boten ihm Zigaretten und Bier an. Verschiedene gute Werke würden getan werden, für die niemand Dank oder Entschädigung erwartete: Geld, das anonym in einem Umschlag hinterlassen wurde, Blumensträuße vor der Tür. Die Stephens’ trauerten um ihr Fleisch und Blut, Pencubitt betrauerte den Verlust eines seiner Söhne.
    Ich setzte mich auf eine alte Holzbank nahe der Docks, ohne Rücksicht auf das stürmische Wetter, und schloss die Augen. Ich musste an Jean denken, das Medium bei Pearls Party, und den warnenden Ausdruck in ihren Augen, als sie sagte: Zwei der Anwesenden … tot innerhalb von zwei Jahren. Die beiden, die durch eine Liebe verbunden sind, die nicht sein darf. Die Feuer der Hölle greifen nach mehreren Gästen. Und einer unter uns hat Blut an den Händen. Blut, das ich bei meiner Ankunft sofort gesehen und gerochen habe. Die blutigen Hände werden dem Henker entkommen, aber nicht dem Zorn des Roten Drachen. Hatte sie Teddy in jener Nacht gesehen, so jung, vor Manneskraft strotzend und selbstzufrieden, eine leere Hülle, die vom Meer eingefordert wurde? Was war mit ihren anderen Prophezeiungen? Würden sie ebenfalls wahr werden? Oder war Teddys Tod nur ein grausamer Zufall?
    Ich hatte das Meer immer als heilsam empfunden. Der Rhythmus der Wellen und Gezeiten übte stets eine beruhigende Wirkung auf meine Seele aus. Der heutige Tag war da keine Ausnahme, als ich den weißen Schaumkronen und herabschießenden Möwen zusah. Und trotz der schrecklichen Ereignisse des Morgens konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass ich dem Schicksal vertrauen konnte, mir das Glück zu bringen, nach dem ich mich so lange gesehnt hatte. Die Zukunft barg Liebe für mich, einen Mann, dem ich wichtig war, und ein eigenes Heim. Und dieser Mann würde nicht Victor sein. Wir waren nie für einander bestimmt gewesen, und ich begehrte ihn auch nicht mehr. Endlich konnte ich mich der Wahrheit stellen: Mein dummes Hirn hatte Victor als Ersatz für den Mann benutzt, nach dem ich mich wirklich verzehrte. Der Mann, den ich wollte und von dem ich geglaubt hatte, wir könnten nie zusammenkommen. Doch in diesem Augenblick hatte ich einen Moment der Erleuchtung, während ich der Botschaft lauschte, die das Meer mir brachte. Alles war möglich, und das Unmögliche bereits unterwegs. In diesem ganz gewöhnlichen Moment am Wasser – im Rückblick so kostbar – spürte ich mit Gewissheit, dass alles gut werden würde. Das Leben würde mich dafür belohnen, eine aufopferungsvolle Tochter gewesen zu sein, eine treue Freundin. An jenem schrecklichen Tag von Teddys Tod flüsterte mir das Meer dieses Versprechen zu. Es würde Kameradschaft, Lachen und Leidenschaft geben. Ein neuer Tagesanbruch nach so vielen grauen Jahren.
    Ich schloss die Augen und sah Maxwells Gesicht vor mir, das mich mit großer Zärtlichkeit anlächelte. Ich glaube, genau in diesem Moment wusste ich, dass Pearl sterben würde. Ich wusste es so sicher, wie ich wusste, dass wir nach der Schinken-Ei-Pastete am Abend Bananenpudding essen würden. Es war ganz einfach, so zwingend wie die Flut an den Strand rollte und die Nacht auf den Tag folgte.
    Pearl würde sterben und Maxwell mir gehören.

KAPITEL 18
Die Warnung des Stachelranken-Mannes
Pencubitt, Juni 1936
    Am Morgen von Teddys Beerdigung begrüßte mich beim Erwachen das willkommene Rauschen des Regens. Ich lag im dunklen Zimmer und dachte über den Alptraum nach, der mir immer noch nachhing. Ich hatte vom Stachelranken-Mann geträumt, Pearls düsterer Kreation. Er spazierte den Shelley Beach entlang, eine große, bedrohliche Gestalt, deren überlange Arme und Beine sich als grober Schatten vor dem leuchtend blauen Himmel abzeichneten. Ich spürte, dass Unheil über Pencubitt kommen würde. Sein langsamer, gemessener Schritt löste in meiner Brust ein beklemmendes Gefühl aus. Seine langen Finger machten ein klickendes Geräusch, als er sie fächerförmig nach mir ausstreckte. Er war so schrecklich, dass er auch die Sonne hätte verschlucken können. Ich konnte ihn riechen: den Gestank menschlichen Abfalls, den Gestank von Alpträumen. Als er näher kam, sah ich, dass er Teddys Kleider trug. Hufeisenförmige Abdrücke bildeten seine Spur hinter ihm im Sand.
    Bring dich in Sicherheit. Seine Stimme dröhnte. Ich schrie im Traum auf. Krebse und Fische hingen an seinem verrottenden Körper. Alles war Zerfall. Alles Lügen und Unwahrheiten. Ich sah die Lügen in seinem

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