Dornentöchter
meine, du bist doch jung und hübsch. Du hast einen netten jungen Mann als Verehrer, und trotzdem bist du deprimiert, weil das Leben dir nicht alles gegeben hat, was du wolltest. Aber das kannst du dir abschminken, denn so wird es nie sein. Ich weiß, du wünschst dir, dass deine Eltern wieder zusammenkommen. Ich hätte auch gerne einen Wunschsessel bei mir im Garten, aber manchmal schenkt uns das Leben nicht mehr als Zitronen und einen Haufen Müll.« Sie tätschelte einen Moment lang unbeholfen Bettys Hand, ehe sie ihren Arm hastig zurückzog, als wäre die Berührung zu viel gewesen. »Mach Limonade draus!«, bellte sie.
Betty tupfte sich die Augen mit einem Taschentuch ab, das sie in ihrer Hosentasche gefunden hatte, und beschloss, ihre Großtante zu hassen und sie nie wieder zu besuchen. Trotzdem konnte sie sich eine letzte Frage nicht verkneifen: »Meinst du, dass es im Haus spukt?«
»Aber natürlich tue ich das!«, schnaubte Thomasina. »Als würde meine Mutter je von etwas lassen. Vor allem vom Poet’s Cottage. Warum, glaubst du, gehe ich da nicht rein, außer wenn ich muss? Ja, es ist typisch für sie, dass sie uns nicht in Frieden lässt.«
Jacks Stimme klang vom Haus her zu ihnen herüber. Er rief nach Betty, und sie stand auf, um zu gehen.
»Kannst mich jederzeit besuchen, wenn du magst«, verkündete Thomasina schroff. »Aber lass deine Mutter zu Hause. Ich mag nicht von Besuchern überrollt werden.«
Thomasina war komplett plemplem, dachte Betty, als sie zum Haus zurückging. Irgendwie freute sie sich trotzdem ein bisschen über die erneute Einladung. Vielleicht würde sie Thomasina tatsächlich noch mal besuchen – nur noch ein Mal.
Betty lief durch die Hintertür ins Haus und rief nach ihrem Vater. Als sie die Melodie eines alten Jazzsongs aus dem vorderen Teil des Hauses hörte, blieb sie stehen. »Dad?«
Jack trat in die Küche. »Da bist du ja, Bets! Die Tür war offen, da sind wir einfach reingekommen. Es wundert mich nicht, dass du unser Klopfen nicht bemerkt hast, wenn du so laut Musik hörst. Ich muss sagen, das ist durchaus eine Verbesserung zu Nick Cave.«
Verwirrt folgte Betty ihm ins Esszimmer, und ein Gefühl der Furcht beschlich sie. Jackie tanzte alleine Walzer zu »Ain’t Misbehavin’«, das von dem uralten Grammophon erklang. Das Knistern der Schallplatte jagte Betty Schauer über den Rücken.
»Unglaublich, dass du das wieder in Gang gebracht hast«, meinte Jack. »Wobei sie damals noch was von Qualität verstanden haben. Heutzutage hält kaum etwas länger als sechs Monate.«
»Ich hab das Ding nicht angefasst«, erwiderte Betty. »Ich hab doch keine Ahnung, wie so ein antikes Teil funktioniert.«
»Ja, aber wenn du es nicht warst«, meinte Jack, »wer denn dann, verdammt noch mal?«
Trotz des Regens genoss Sadie ihren Ausflug auf den Markt. In Sydney war sie auch gerne über den Markt von Rozelle oder Paddington gestreift, aber der hier in Pencubitt war eine echte Fundgrube. Es gab Enten, Biogemüse, DVD s, Hirschgeweihe, Duftkerzen, Seifen, Schmuckstücke aus Nachlässen, von Hand genähte und gestrickte Waren. In der Ferne erspähte sie Simon Parish und seinen Sohn, die ganze Tüten voll Gemüse kauften. Schnell schlug sie eine andere Richtung ein, bevor er sie entdecken konnte. Eine ältere Dame verkaufte exquisite Laken, Tischtücher und Kopfkissenbezüge mit Spitzenbesatz. Sadie blieb stehen, um sie sich näher anzusehen. Als sie sich gerade für zwei Tischdecken entschieden hatte, fiel ihr Blick auf einen Stapel alter Zeitschriften der Pencubitt Historical Society am Stand nebenan. In der Hoffnung, daraus vielleicht eine Lokalgeschichte stricken zu können, erstand sie den ganzen Packen, sowie die Tischdecken. Dann sah sie auf die Uhr – Zeit, nach Hause zu gehen, ehe sich Betty zu ihrer Verabredung mit Dylan aufmachte.
»Sadie!« Maria, in Jeans und einem blauweiß gestreiften Oberteil, fasste Sadie am Arm. »Ich hab mir fast gedacht, dass ich dich hier möglicherweise treffe. Hast du Zeit für einen Kaffee? Ich würde gerne etwas mit dir besprechen.«
Als Sadie einwilligte, wirkte Maria richtig erleichtert. »Lass uns zu den Docks runtergehen, wo wir ein bisschen mehr Ruhe haben. Wenn du magst, geh doch schon mal vor und such uns einen Tisch, während ich am Schulstand den Kaffee hole.« Sie senkte die Stimme. »Ist nicht gerade der beste, aber alle Einnahmen gehen zugunsten der Schule hier am Ort.«
Auch wenn der Markt nur fünf Gehminuten vom Pier
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