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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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liegt sicher irgendwo und vergnügt sich mit einem netten Mädchen.«
    Er hatte ein weißes Taschentuch hervorgeholt und trocknete sich den Schweiß vom Gesicht. »Wie? Ja. Vielleicht. Sicher!« Aber aus irgendeinem Grund sah es so aus, als käme das für ihn überhaupt nicht in Frage.
    Ich ging zaghaft auf die Tür zu, und Edvardsen trat liebenswürdig zur Seite. Er legte zum Gruß einen Zeigefinger an die Stirn, der aussah wie ein kleiner Hammerstiel.
    Draußen vor der Baustelle war ein neuer, großer, blauer Lastwagen angekommen. Zwei Männer standen davor und warteten darauf, dass wir fertig wurden.
    Die Sonne stach auf uns herunter. Ich nickte Jonassen und Edvardsen matt zum Abschied zu und ging zurück zu meinem Wagen. Ich spürte ihre Blicke im Rücken, bevor ich hörte, wie sie die beiden anderen begrüßten.
    Ich fuhr nur ein kleines Stück, parkte dann vor einem Tabakladen und ging hinein. Der süßliche Geruch von Tabak, Bonbons und frischer Druckerschwärze schlug mir entgegen. Die Tageszeitungen stapelten sich zusammengefaltet in drei adretten Reihen auf dem durchsichtigen Glastresen, in dem die Schokolade lag. Ein magerer Mann mit irgendetwas Bräunlichem im Mundwinkel saß auf einem Stuhl und blätterte in einem Comic, als ich hereinkam. Er stand auf und sah mich fragend an. Ich kaufte ein Joghurt-Eis und fragte, ob ich vielleicht in sein Telefonbuch schauen könnte.
    Ich durfte und blätterte schnell zu Jonassen, um herauszufinden, dass er in Fjøsanger wohnte. Ich klappte das Telefonbuch wieder zu, bedankte mich für die Hilfe und nahm das Eis mit ins Auto. Als ich es aufgegessen hatte, fuhr ich wieder los. Fjøsanger – das konnte ein netter Ausflug werden, an einem Tag wie diesem. Es war nicht weit zu fahren, und vielleicht wehte eine schwache Brise vom Nordåsvann her … vielleicht.

13
    Bei heruntergekurbeltem Fenster verschaffte ich mir beim Fahren eine Illusion von Frische. Am oberen Teil der Strecke passierte ich die vielen Grabsteine in Solheim. Die ältesten standen nach hinten geneigt und hatten grünes Moos in den eingeritzten Namen. Die neuesten standen in Habtacht-Stellung wie junge Rekruten mit unendlicher Dienstzeit, denen nicht klar war, wie lange sie eigentlich dort stehen sollten.
    Links unterhalb von mir wurde, entlang der alten Eisenbahntrasse, die neue Ausfallstraße gebaut, langsam, aber unerbittlich. Zwanzig Jahre zuvor waren hier noch liebenswerte, braunschwarze Vorstadtzüge durch die Landschaft gezuckelt, in Richtung Hop, Kloppedal und Nesttun – oder zu noch ferneren Zielen wie Evanger, Voss und Mjølfjell – oder nach Oslo. Die Züge hatten etwas Sicheres, und es tat gut, sie vorbeifahren zu sehen. Sie vermittelten die Sicherheit, dass es andere Orte gab, dass es immer auch andere Orte gibt, zu denen man reisen kann – eine Sicherheit, die Autos, die auf einer Schnellstraße an einem vorbeifahren, niemals vermitteln können.
    Die Villa Gamlehaug tauchte vor mir auf. Wie eine bescheidene mittelalterliche Burg wachte sie über Nordåsvannet, Fjøsanger und die Rodungsgebiete am Hang zum Løvstakken hin. Wenn vor zwanzig Jahren die königliche Familie zu Besuch kam, hielt der Oslozug in Fjøsanger (und es war Abend und die Pressefotografen waren mit ihren Blitzlichtern zur Stelle), und die Königlichen stiegen aus dem Zug und gingen das kurze Stück nach Gamlehaugen zu Fuß. Jetzt kamen sie mit dem Flugzeug nach Flesland und wurden in großen, schwarzen Wagen gefahren. Die Zeiten ändern sich: für die Königlichen und für Privatdetektive. Ich sollte nicht so viel an die Vergangenheit denken. Davon bekam ich nur Magengeschwüre.
    Das Grundstück von Jonassen lag an einem Stichweg mitten in dem Gebiet zwischen Fjøsanger und Storetveit. Hinter einem schwarz gestrichenen Lattenzaun mit einer dichten Rosenhecke dahinter erkannte ich vage ein flaches Haus, aus Naturstein gebaut und den Unebenheiten der Landschaft angepasst. In einer Vertiefung führten breite Glastüren in einen kleinen Kellerraum, oben auf einem kleinen Hügel endete das Haus in etwas, das wahrscheinlich ein Fahrradschuppen oder ein Waschraum war, ein kleiner Anbau, verkleidet mit waagerecht geschichtetem Holz.
    Auch die eiserne Pforte war schwarz, und in das Muster hineingeschmiedet stand in kunstvoll geformten Buchstaben Arve Jonassen. Nur der Briefkasten war vom ganz gewöhnlichen postgrünen Typ. Ich öffnete die Pforte vorsichtig, nachdem ich den Wagen direkt vor dem Zaun geparkt hatte. Auf beiden

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