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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Schritt auf sie zuzugehen.
    »Ja?«, fragte sie mit einer hellen Stimme.
    »Frau Jonassen?«, hörte ich meine eigene Stimme.
    »Ja? Das bin ich.« Ihre Stimme hatte einen affektierten Tonfall, etwas Puppenhaftes und Künstliches, als sei sie nicht ganz wirklich, sondern etwas, das man mit einem Schlüssel im Rücken aufziehen konnte.
    »Mein Name ist Veum. Varg Veum. Ich komme wegen … Peter Werner.«
    Sie runzelte die Stirn, ein wenig unnatürlich, als versuche sie sich zu erinnern, woher sie den Namen kannte.
    »Einer der Angestellten Ihres Mannes«, half ich ihr.
    »Ah ja.« Sie lächelte. Ihre Zähne waren ziemlich klein: weiß, aber fast durchsichtig an den Kanten. »Wollen Sie nicht …« Mit einer Hand zeigte sie auf den Gartentisch und die Stühle. Dann drehte sie sich um und ging vor mir her.
    Sie wusste sicher, wie sie aussah, in ihrem türkisfarbenen Bikini, und aus solcher Nähe. Sie wusste es sicher so genau, dass sie das Herz in meiner Brust schlagen hören konnte.
    Ihr Körper hatte die breite, selbstsichere, sinnliche Schwere einer Frau um die vierzig. Sie dehnte sich langsam aus, aber Spannkraft und Festigkeit folgten der Ausdehnung, und sie wurde nicht dick – sie wurde nur mehr. Ein oder zwei Tage noch in der Sonne, und sie würde wie eine hellrosa Rubens-Schönheit aussehen, direkt aus der Badewanne.
    Ihre Sinnlichkeit war stark und direkt. In flimmernden, hastigen Bildern sah man vor sich, wie man sich ihr schnell von hinten näherte, die Arme um sie legte, sie begehrlich in den Nacken küsste, die Hände um ihre Brüste legte, wie man mit den Fingern unter den Stoff fuhr und die Warzen berührte, wie sie sich umdrehte und – man sollte lieber gar nicht daran denken.
    Am Beckenrand blieb sie stehen und wartete auf mich, und ich sah ihre Silhouette vor mir. Noch einmal sah ich, wie sich die Brustwarzen durch den dünnen Stoff abzeichneten. Sie streckte die Hand aus.
    Ich ergriff sie und mir wurde schwindelig. Ihre Handfläche war unerwartet trocken und leicht, als würde sie überhaupt nicht schwitzen, sondern als seien wir irgendwo auf einer Abendgesellschaft, sie im Abendkleid und ich im Smoking, und als wäre längst der Ventilator eingeschaltet. »Irene Jonassen – heiße ich«, sagte sie und behielt meine Hand noch einen Moment in ihrer, bevor sie sie losließ.
    Wahrscheinlich bedeutete das nichts. Wahrscheinlich bedeutete es überhaupt nichts. Sie gehörte zu dem Typ, der auch sinnlich wirkte, wenn er Zwiebeln schnitt, sich Lockenwickler in die Haare drehte oder auf dem Klo saß. Es bedeutete gar nichts, dass sie meine Hand ein wenig länger festgehalten hatte, als andere Frauen es getan hätten. Es war nur der zufällige Veum, der hereinschaute, um ihr an diesem Vormittag kurz ein paar Fragen zu stellen, über einen Kerl namens Peter Werner, hieß er nicht so?
    Ich blieb stehen.
    Sie sagte: »Wollen Sie sich nicht setzen? Ich kann Ihnen etwas zu trinken holen.«
    Doch, ich hatte Durst. Und ich hatte Lust, sie noch einmal über den Rasen gehen zu sehen. Also sagte ich: »Ja, gerne … haben Sie Orangensaft? Mit Eis?«
    »Einen Augenblick«, sagte sie – und ging. Sie ging langsam, und sie sah aus, als gefiele es ihr, über den Rasen zu gehen, während Männer ihr dabei zusahen.
    Ich setzte mich auf einen Stuhl und sah ihr nach. Ich hätte mir selbstverständlich all die Büsche ansehen sollen, die Obstbäume, hätte den schönen Swimmingpool kommentieren sollen, die Lage, die schöne Aussicht.
    Sie kam zurück mit einem runden roten Plastiktablett, einer Karaffe Orangensaft und einem leeren Glas. Sie stellte das Glas vor mich, goss mir Saft ein, wobei die Eiswürfel klirrten, und setzte sich wieder auf einen der anderen Stühle, mit ihrem eigenen goldenen Glas in den Händen. »Na dann …«, sagte sie, hob ihr Glas und sah mich an, aber sie sagte nicht, was sie trank.
    Der Saft schmeckte wie abgekühlter Sonnenschein, wie ein sonniger Septembermorgen.
    Mit heiserer Stimme sagte sie: »Peter Venner – hieß er nicht so?«
    »Werner«, sagte ich.
    »Ach ja … genau. Der junge Mann, der – ja, jetzt erinnere ich mich.«
    Es war unmöglich, ihre Augen durch die schwarzen Brillengläser zu sehen, und der Sonnenhut beschattete ihre Stirn. Ihr Mund lächelte nicht mehr. Ich sagte: »Der junge Mann, der …?«
    Sie sah mich abwartend an.
    »Der … was wolltest – wollten Sie damit sagen?«
    »Lass uns du sagen, oder?« Sie lächelte wieder, aber es war ein abruptes Lächeln, das kam und

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