Dornröschen schlief wohl hundert Jahr
schrumpeliger Haut. Sein Haar war über dem Nacken kurz geschnitten und grau mit gelbblonden, fast grünlichen Strähnen. Sein Kinn unter einem energischen, verkniffenen Mund war viereckig. Seine Gesichtshaut zeigte ein Muster aus geplatzten Äderchen, sein Alter war wie bei vielen älteren Arbeitern unbestimmbar, er konnte zwischen fünfzig und siebzig Jahre alt sein. Der andere war ungefähr Mitte zwanzig und hatte ein Gesicht wie ein junger Lehrer: Brille, kleiner Mund und eine Haut, auf der noch wie ein schwacher Schimmer die Blässe der Lesesäle lag. Sein Körper war zart und sein Nacken gebeugt, typisches Merkmal von Menschen, die abends zu lange über ihren Büchern hängen.
Der Ältere sah mir skeptisch entgegen, der Jüngere wirkte fast neugierig. Ich vermute, dass ich wie ein kommunaler Inspektor oder so etwas aussah.
Ich blieb vor ihnen stehen und sagte: »Guten Tag. Können Sie mir vielleicht sagen, ob Jonassen schon da ist?«
Der Jüngere schüttelte verneinend den Kopf, aber er sagte nichts. Das entsprach wohl irgendeiner Rangordnung. Der Ältere nahm sich viel Zeit. Schließlich sagte er: »Nein. Noch nicht. War’n Sie das, den er treffen wollte?«
»Nein, das war nicht ich. Aber ich habe gehört – er solle gegen elf Uhr hier sein.«
Der Jüngere sah auf die Uhr und trank schnell seinen Kaffee aus. Der Ältere zuckte mit den Schultern und sagte: »Soso.«
Ich verlagerte mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und sprang ins kalte Wasser. »Kennen Sie Peter Werner?«
Der Jüngere biss sich auf die Lippen und wich meinem Blick aus. Die Augen des Älteren wurden glasig, und es zuckte kaum merkbar um seine Mundwinkel, als hätte er Lust, auszuspucken, wüsste aber nicht, ob das nicht ungehörig sei. Dann sagte er: »Er arbeitet hier. Ab und zu.«
Er zog eine Packung Tabak und Zigarettenpapier aus der Tasche und begann umständlich, sich eine Zigarette zu drehen.
»Ab und zu?«, fragte ich.
Er rollte seine Zigarette zu Ende, steckte sie sich in den Mundwinkel und zündete sie an. Der andere sah aus, als wolle er etwas sagen, aber ich hörte nichts. Als der Ältere seine Zigarette richtig zum Glühen gebracht hatte, stand er auf, nickte mir abschließend zu und schlenderte ruhig auf das Gebäude zu.
Der Jüngere hinkte eine Sekunde hinterher.
Ich sagte: »Was hat das zu bedeuten?«
Als er den Mund aufmachte, hörte ich, dass er aus Oslo kam. »Larsen redet nicht gern über Leute wie Peter Werner. Er ignoriert sie einfach.«
»Und was ist mit Peter Werner?«
Er sah sich verstohlen um. Noch immer begegnete sein Blick nicht meinem, sondern hing über meiner Schulter. »Er arbeitet – selten. Aber er holt seinen Lohn ab. Er ist – unzuverlässig. Er nimmt Drogen, das weiß ich jedenfalls, es ist leicht zu erkennen. Und für Leute in Larsens Generation ist das natürlich das Schlimmste überhaupt. Er kann nicht verstehen, was Jonassen veranlasst, ihn zu behalten, trotz seines ständigen Fehlens. Er – bekommt vollen Lohn, und er bringt nie eine Krankmeldung. Man – man hat fast das Gefühl, dass er arbeitet, wann es ihm passt, sozusagen nur zum Schein.«
»Ach ja? Aber warum … wisst ihr, warum Jonassen das macht … ihn behalten, meine ich?«
Zum ersten Mal sah er mich direkt an. »Sie sagen … Sie können ja – Frau Jonassen fragen.«
»Soll das heißen …« Ich hörte einen Automotor hinter mir.
»Das ist Jonassen«, unterbrach er mich. »Morgen!« Er nickte kurz zum Auto, schob sich die Thermosflasche ganz oben unter die Achsel und ging schnell zu dem unfertigen Gebäude.
Der große schwarze Mercedes blieb direkt neben mir stehen, und zwei Männer stiegen aus. Beide schielten neugierig dem jungen Arbeiter hinterher, um dann fragend mich anzusehen.
Ich schlenderte zu ihnen hinüber. »Guten Tag. Mein Name ist Veum. Ich suche – Jonassen.«
Der kleinere der beiden Männer sagte: »Das bin ich.«
Dass er der kleinere war, bedeutete nicht, dass er klein war. Alles an ihm war ziemlich breit: Gesicht, Nacken, Bauch, Schenkel. Seine Schuhe hatten bestimmt Größe 46. Aber sie waren teuer, und er trug edle helle Hosen. Die Wildlederjacke wirkte nicht, als läge sie in meiner Preisklasse. Genau wie der ältere Bauarbeiter hatte Jonassen ein rotfleckiges Gesicht, aber ich hatte das Gefühl, dass diese Röte nicht so sehr von der Arbeit an frischer Luft herrührte, als vielmehr von kleinen Teakschränkchen mit hübschen Flaschen. Die Konturen seines breiten Gesichts waren
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