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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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war es heiß wie in einer Sauna, und ich spürte wie mir ein Schweißtropfen langsam zwischen den Schulterblättern herunterlief. Das dünne Hemd klebte an der Haut, und ich fühlte mich nicht sonderlich wohl.
    Jonassen sah mich gedankenvoll an und sagte: »Ich habe nicht ganz verstanden – wie Sie heißen.«
    »Veum«, sagte ich und räusperte mich. »Varg Veum.«
    Das machte keinen besonderen Eindruck. »Und Sie suchen nach Peter Werner?«
    Ich nickte.
    »Tja. Er ist nicht hier.« Er sah sich in der kleinen Baracke um.
    »Nein. Das sehe ich.«
    Kurze Pause. Von der Straße her hörte ich das ewig singende Geräusch des Verkehrs, und – im Vergleich dazu disharmonisch – den fröhlichen Klang der Vogelstimmen.
    Ich fragte: »Wann hat er zuletzt gearbeitet?«
    Er runzelte die Stirn und versuchte auszusehen, als würde er nachdenken. »Tja? Wann war das? Heute ist Donnerstag. Er war nicht mehr hier seit Ende letzter Woche.«
    »Das heißt, seit Freitag?«
    »Ja. Freitag oder – Donnerstag. Ich hab es nicht im Kopf.«
    »Hat er eine Krankschreibung abgegeben?«
    Er schüttelte stumm den Kopf.
    »Hat er denn angerufen und Bescheid gegeben?«
    Wieder schüttelte er den Kopf.
    »Tut er das sonst auch nicht?«
    »Er –« Er unterbrach sich selbst. »Tja. Ich weiß es nicht.«
    »Aber Sie meinen immer noch, er sei es wert, dass man ihn in der Truppe lässt?«
    »Er arbeitet gut.«
    » Wenn er arbeitet?«
    »Wenn Sie so wollen, aber …«
    »Es gibt also keine besonderen Gründe dafür, dass Sie Peter Werner behalten?«
    Er schwitzte, aber das war auch kein Wunder. Ich tippte, dass die Temperatur in der Baracke fast bei 30 Grad lag. »Nein, besondere Gründe – welche sollten das sein?«
    Jetzt war es an mir, mit den Schultern zu zucken. Es gab keinen Grund, zu weit zu gehen, nur aufgrund einer Bemerkung von einem seiner Angestellten. Hinter mir hörte ich, wie Edvardsen sein Körpergewicht verlagerte.
    »Mir tut Peter leid«, fuhr er unaufgefordert fort. »Ich – er hat Probleme, aber das wissen Sie sicher.«
    Ich nickte. »Sie meinen – mit Drogen?«
    Er nickte schwer. »Wir, Sie und ich und Edvardsen – wir gehören einer anderen Generation an, wir haben eine andere Einstellung zu – Rauschmitteln. Wir verstehen die jungen Leute heutzutage nicht, dass sie tatsächlich …« Er schüttelte den Kopf, ohne den Satz zu beenden.
    Ich sagte: »Nein. Das ist nicht immer so leicht – zu verstehen.« Nach einer kleinen Pause fuhr ich fort: »Dann könnte man vielleicht sagen, dass Sie Peter Werner – deswegen behalten? Aus sozialem Engagement, sozusagen?«
    Er nickte eifrig. »Genau. Ich will mich nicht als großen Wohltäter darstellen. Ich bin auch kein Engel. Die in diesem Beruf überleben, können sich das nicht leisten. Aber … ab und zu … es kommt vor … Man begegnet einem Menschen, zu dem man eine besondere Beziehung aufbaut, für den man eine gewisse … Verantwortung empfindet, wissen Sie? Auf eine Weise … ich habe selbst keine Kinder und … auf eine Weise ist Peter eine Art Sohn für mich.«
    Ich nickte. »Das klingt nicht unnormal. Aber … wenn Sie sich ihm gegenüber also wie ein Vater fühlen: Macht es Ihnen dann keine Sorgen, wenn er verschwindet, so wie jetzt?«
    »Natürlich macht es mir Sorgen! Aber ich bin nicht sein Vater, und er ist ein erwachsener Mann. Im Grunde genommen. Ich kann mich ihm nicht aufdrängen, er muss sein eigenes Leben leben. Ich …« Wieder zuckte er heftig mit den Schultern. »Ich habe versucht, mit ihm zu reden, oft sogar. Aber es scheint nichts geholfen zu haben.«
    »Sie haben also keine Ahnung, wo er sich aufhalten könnte?«
    »Nein. Leider. Keine Ahnung. Wirklich nicht. Wenn ich etwas wüsste, würde ich es Ihnen natürlich sagen.«
    Ich sah ihn an. Seine braunen Augen mit den roten Ringen um die Pupillen flackerten. Mir fiel plötzlich auf, dass Edvardsen nicht mehr pfiff. Ich drehte mich halb um und sah ihn an. Er stand noch genauso da wie vorher, aber sein Blick ruhte verträumt auf meinem Nacken. Als er bemerkte, dass ich ihn ansah, wandte er sich schnell Jonassen zu und sagte: »Jetzt sind sie da, Arve.«
    »Was? Ach ja! Liebe Güte. Tut mir leid, Veum, aber wir haben einen Termin.« Er stand auf und reichte mir seine Hand zu einem weichen Abschiedsgruß. »Ich … wenn ich Ihnen behilflich sein kann, dann melden Sie sich einfach. Ich hoffe wirklich, dass Sie Peter finden. Wahrscheinlich ist nichts … Schlimmes passiert.«
    »Nein«, sagte ich leichthin. »Er

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