Dornröschen schlief wohl hundert Jahr
versuchen, mich – morgen anzurufen?«
Ich nickte. »Das werde ich tun. Ich – ich weiß nicht, was ich sagen soll …«
»Nein. So geht es mir auch.«
Dann fuhren sie los, ein schwarzes Taxi voller Trauer, durch einen Nachmittag, der plötzlich grau geworden war.
Vadheim kam zu mir heraus. »Hast du jetzt Zeit, Veum?«, fragte Ich ging mit ihm hinein. Wir waren allein in dem kleinen Aufenthaltsraum. Die Luft war unangenehm stickig.
»Tja«, seufzte Vadheim und sah mich mit seinen Hundeaugen an. »Jetzt bin ich gespannt darauf, was du zu erzählen hast. Vorläufig haben wir noch nicht so viel, worüber wir uns freuen könnten.«
»Nein?«
»Nein.«
Dann erzählte ich ihm alles. Ich hatte mich schon öfter in einer solchen Situation befunden, und manchmal hatte ich einige Dinge ausgelassen, Details vergessen, hatte für mich behalten, was mir sinnvoll erschien. Diesmal tat ich das nicht. Ich erzählte ihm alles, von dem Tag an, als ich Lisa in Kopenhagen gefunden hatte. Ich erzählte, wie ich begonnen hatte, nach Peter Werner zu suchen – bei Jonassen, zu Hause bei seiner Frau, bei Bjørn Halse, und dann … hier. Ich erzählte, dass er wahrscheinlich ein Verhältnis mit Irene Jonassen gehabt hatte, und dass er höchstwahrscheinlich irgendetwas über Jonassen wusste, womit er ihn in der Hand hatte. Ich erzählte, wie er sich in eine Art Callboy-Job in diesem Hotel eingearbeitet hatte, und dass Damenbesuch bei ihm offensichtlich nicht ungewöhnlich war.
Zweimal beugte sich Vadheim interessiert nach vorn und unterbrach mich. Als ich von Irene Jonassen erzählte, fragte er: »Wie sah sie aus?«
Ich antwortete: »Wie eine gut sortierte Auswahl an Sahnetrüffeln. Im allerbesten Alter. Als ich sie traf, trug sie nichts weiter als eine Art Bikini, und sie machte einen tiefen und unvergesslichen Eindruck.«
»Und die Haarfarbe?«
»Schwarz. Mit etwas gekauftem Rot.« Ich fügte hinzu: »Aber das muss natürlich nicht bedeuten, dass sie nicht irgendwo eine blonde Perücke haben könnte.«
Vadheim sah mich vielsagend an. »Also du weißt …«
»Pedersen hat es erwähnt. So ganz nebenbei.«
»Ganz nebenbei.« Er kommentierte es nicht weiter. Noch nicht.
Das zweite Mal beugte er sich vor, als ich erwähnte, dass Peter Werner Jonassen in der Hand gehabt hatte. »Und Hasle hat nicht gesagt, was es war?«
»Nein. Ich glaube, er wusste es tatsächlich nicht.«
»Mmm. Sieht aus, als müssten wir sowohl mit Jonassen als auch mit seiner Frau sprechen – und zwar je eher desto besser.«
»Das denke ich auch.«
»Hör zu, Veum. Pedersen hat uns eine Art Personenbeschreibung der beiden Frauen gegeben, die Werner gestern besucht haben. Die Jüngere kam so gegen 18 Uhr. Sie war fünfzehn, sechzehn, vielleicht siebzehn. Dunkle, lange Haare, braun gebrannt und wenig entwickelt. Sie trug Jeans und einen gestreiften Pullover. Sie hatte zwei Plastiktüten dabei. Gegen 19.30 Uhr ging sie wieder. Irgendwas, was dir bekannt vorkommt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Lisa mit dunkler Perücke? Aber ich glaube nicht, dass sie so schnell wieder draußen gewesen sein kann. Das kannst du leicht überprüfen.«
»Habe ich schon getan.«
»Oh?«
»Werners haben mir auch von ihr erzählt. Aber sie war es nicht. Sie war in der Klinik und schlief. Sie haben ihr schon gegen 17 Uhr eine Spritze gegeben, und sie hat die ganze Nacht geschlafen.«
»Tja.« Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich erleichtert.
»Die andere, diese Blondine kam gegen 20 Uhr und ging erst gegen 23 Uhr wieder. Pedersen beschreibt sie als prachtvolle Blondine reiferen Jahrgangs, aufgemacht, als sei sie unterwegs nach Hollywood oder so. Knallenge lila Hosen. Weiße Bluse mit auffallendem Ausschnitt und eine kurze Jacke in der gleichen Farbe wie die Hose. Meinte er. Ohne dass er besonders auf die Verpackung geachtet hätte. Außerdem könnte dir aufgefallen sein, dass keine der beiden Frauen irgendwelche persönlichen Kennzeichen hatte, im Gesicht meine ich. Pedersen gehört offensichtlich zu denen, die vor allem das beobachten, was sich unterhalb des Halses befindet.« Nach einer kurzen Pause sagte er: »Und?«
»Das könnte auf die halbe Stadt zutreffen«, antwortete ich. »Im entsprechenden Aufzug. Aber ich muss gestehen, dass ich mir Frau Jonassen gut in diesem Aufzug vorstellen kann. Aber es gibt wohl auch noch andere Zugangsmöglichkeiten, oder?«
»Tja … für einen klettertüchtigen Menschen. Es gibt einen Eingang vom Hinterhof, aber da muss man
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