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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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– ist Peter Werner tot?«
    »Schon eine ganze Weile, ja. Seit gestern Abend ungefähr, denke ich. Deshalb habe ich …«
    »Zweimal.«
    »Zweimal?«
    »Er hatte zweimal Besuch. So ungefähr die absoluten Gegensätze. Die eine war sicher nicht älter als sechzehn, siebzehn, und die andere … in der Old-Boys-Klasse. Old Girls! Sie war eine ganz schöne Kanone. Wenn du mich fragst, ich hätte sie vorgezogen.« Wieder bekam er diesen verträumten Zug. Er war offensichtlich leicht abzulenken.
    Ich versuchte, mich zu konzentrieren.. »Die junge – war sie …« Aber ich unterbrach mich selbst. Es konnte nicht Lisa gewesen sein. Nicht gestern Abend. Dann hätte sie sofort wieder aus der Klinik abgehauen sein müssen.
    »Kleine Mädchen interessieren mich nicht. Sie war ganz niedlich, dunkelhaarig, hübsch, aber fast kein Busen und schmale Hüften. Die andere dagegen! In einem Aufzug – superenge Hose, die überall fast aus den Nähten platzte, eine Bluse, die oi-oi-oi! – Blondine, und dann diese Augen, Mann! Die haben einen fast angesaugt. Ich saß hier hinter dem Tresen und – und weißt du, was das Schlimmste an der Sache ist?« Er war direkt gesprächig geworden. Ich hätte hier gar nicht den Coolen spielen müssen. »Er bekam es gratis. Sie haben ihn sogar noch dafür bezahlt! Weiß der Teufel, was er hatte, was wir nicht …«
    »So ist das Leben, Kumpel. Einige haben es. Die meisten haben es nicht.«
    »Und jetzt erzählst du mir, dass er …« Er kam aus dem Land der Träume zurück, abrupt und brutal. »Sollten wir nicht …«
    »Doch«, nickte ich. »Wir sollten die Polizei anrufen. Das hätten wir schon längst tun sollen.« Aber es spielte keine Rolle für Peter Werner, ob wir fünf Minuten früher oder später anriefen. Und es war immer gut, wenigstens schon etwas zu wissen, bevor die Polizei kam.
    »Ich kann nicht behaupten, dass mir das gefällt«, sagte er. »Ich muss zuerst den Direktor anrufen. Dann kann er …«
    »Ruf von mir aus erst den Papst an, aber sag nicht, dass ich dich aufgehalten hätte.«
    Er nickte mechanisch, setzte sich und wählte eine Nummer.
    Ich entfernte mich ein Stück, nicht gerade weit, denn der Raum war klein. Ungefähr wie eine Gefängniszelle. Und ich spürte einen merkwürdigen Frost im Körper. Als sei es plötzlich wieder Winter geworden.

17
    Der Hoteldirektor kam gleichzeitig mit den obersten Köpfen der Kriminalabteilung an. Aber er ließ sehr deutlich durchblicken, dass sie ganz und gar nicht gemeinsam ankamen, und dass er kaum wusste, wer sie eigentlich waren.
    Der Hotelportier und ich bildeten das Empfangskomitee, und wir waren ein ziemlich säuerliches Paar.
    »Verdammt dumme Geschichte, Pedersen«, sagte der Hoteldirektor zum Portier, als sei das Ganze seine Schuld.
    Er sah mich an, als sei ich eine tote Fliege in seinem Drink. »Haben Sie die – Leiche gefunden?«
    »Das wollte ich auch gerade fragen«, sagte eine Stimme mit eigentümlich singendem Tonfall über die Schulter des Direktors hinweg, hinter der eine schlaksige Gestalt zum Vorschein kam.
    Oberkommissar Vegard Vadheim war ein sympathischer Kerl, und das nicht nur, weil seine Initialen mit meinen übereinstimmten. Er war Ende vierzig und hatte keine anderen Ambitionen, als seinen Job zu machen – und er machte ihn gut. Abgesehen von Hamre, der deutlich jünger war, gab es in dem Laden keinen besseren Ermittler. Er war ein Typ mit vielen Gegensätzen: Langstreckenläufer und Poet. Beide Seiten waren mir sympathisch. Er war einer unserer besten Langstreckenläufer gewesen, und er hatte zwei Gedichtsammlungen herausgegeben. Aber dann verschwand er. Er verschwand aus der Öffentlichkeit, irgendwo bei der Kriminalpolizei in Bergen. Dort ging er seinen Aufgaben nach, abgeschirmt, abgesehen von den Gelegenheiten, wo er aus beruflichen Gründen ins Rampenlicht treten musste. Bei solchen Anlässen wirkte er immer verlegen und schüchtern. Er lief immer noch, im Polizeisportverein, aber keiner wusste, ob er immer noch Gedichte schrieb.
    Vegard Vadheim kam aus Rosendal in Hardanger. Er war dunkelhaarig und seine dunkelbraunen Augen und der etwas wehmütige Zug um den Mund verrieten noch immer den Poeten. Er hatte etwas Melancholisches, und es schien, als litte er in aller Stille unter all den Widerwärtigkeiten, mit denen er sich durch seinen Beruf konfrontiert sah. Eines Tages sollte er in der Lage sein, gerade darüber einen großen Roman zu schreiben. Er war der Typ dafür. Langstreckenläufer und Poet:

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